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Teststrecken in der Schweiz: Wie mehr Ausbauasphalt auf die Straßen kommt

Verfasst von: Redaktion
Veröffentlicht am: 13. Sep. 2023

Neue Produktionsprozesse für mehr Asphaltrecycling erforderlich

In der Schweiz werden kaum neue Straßen gebaut. Das Land ist für Autos und Lkw vollumfänglich erschlossen. Diese Tatsache führt dazu, dass mehr Ausbauasphalt anfällt, als für den Neubau benötigt wird. Als Ausbau- bzw. Altasphalt werden bitumen- und teerhaltige Materialien aus Straßendecken und Dichtungsschichten bezeichnet, die durch Fräsen oder Aufbrechen gewonnen werden. Nach einer anschließenden Zerkleinerung spricht man von Asphaltgranulat.

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Eine Teststrecke für Recyclingasphalt auf dem Schweizer Lukmanierpass: Straßen in Höhenlagen sind besonders anfällig auf Risse. Foto: Empa

Rund 750.000 Tonnen Altasphalt landen jährlich auf Deponien und türmen sich dort zu immer höheren, schwarzen Bergen. Grundsätzlich sind sich Bund und Kantone als die großen Straßeneigentümer einig: Diese Asphaltberge sollen zurück ins Schweizer Straßennetz.

„Dazu braucht es aber ein besseres Verständnis vom Zusammenspiel von Ausbauasphalt und neuem Material, angepasste Produktionsprozesse und vor allem praxisnahe Anleitungen und Instrumente für die Industrie“, sagt Martins Zaumanis von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA).

Rissanfälligkeit und fehlende Homogenität machen Recyclingasphalt bislang unattraktiv

Asphalt besteht aus einer Gesteinsmischung und dem Bindemittel Bitumen, das für hochbelastete Straßen teilweise mit Polymeren modifiziert wird. Die bisherigen Einschränkungen bei der Nutzung von Ausbauasphalt (engl.: Re­claimed Asphalt Pavement, kurz RAP) zum Bau neuer Straßen gründen vor allem darauf, dass das Bindemittel im Asphalt im Laufe der Zeit altert und damit steif wird. Das führt zu einer Anfälligkeit für Risse.

Zudem kann es sein, dass sich während dem Mischprozess das alte Material nicht gut mit dem neuen verbindet. Ein weiteres Problem stellt die oft fehlende Homogenität von RAP dar. Materialien aus unterschiedlichen Straßenschichten und unterschiedlichen Alters kommen zusammen, verschiedene Granulatgrößen treffen aufeinander. Die Herstellung eines Hochleistungsasphalts verlangt aber nach Kontinuität.

Es gibt hierfür ausgewiesene Designmethoden für die Mischgutent­wicklung und standardisierte Tests für die Qualitätskontrolle. Beim Hinzufügen von Ausbauasphalt in die bestehenden Produktionsprozesse gelangen die bewährten Methoden bislang jedoch an ihre Grenzen.

Experte: Gesteinskörnung muss beim Asphaltausbau unversehrt bleiben

Um den RAP-Gehalt generell zu erhöhen, bedarf es also Neuerungen auf mehreren Ebenen, unter anderem beim Ausbau des alten Asphalts und bei dessen Aufbereitung. Asphalt wird in der Regel von der Straße gefräst oder gebrochen und anschließend zerkleinert.

„Im besten Fall bleibt die ursprüngliche Gesteinskörnung dabei unversehrt, und es entsteht möglichst wenig Staub, sogenanntes Füllermaterial“, erklärt Zaumanis. Diese zwei Faktoren erschweren eine Wiederverwendung, so der Experte weiter.

Gemeinsam mit dem Bundesamt für Straßen (ASTRA), dem Bundesamt für Umwelt (BAFU), den Kantonen Zürich und Graubünden und mehreren Industriepartnern hat Zaumanis von 2019 bis Anfang 2023 eine Studie zum Thema namens „HighRAP“ durchgeführt. In dieser stellt er basierend auf Praxistests neue Kriterien vor, die eine Charakterisierung der RAP-Verarbeitung vereinheitlichen und dadurch die Wiederverwendung vereinfachen sollen.

Neue Rechenmodelle für Bitumengehalt und Verjüngungsmittel vorgelegt

Neben Körnung und Staubanteilen sind beim Asphaltrecycling auch der ursprüngliche Bitumengehalt und dessen Eigenschaften entscheidend. Diese können sich je nach Quelle stark unterscheiden. Zaumanis hat deshalb ein Rechenmodell entwickelt, das die zulässige Variabilität je nach künftiger Anwendung festlegt.

Ein weiteres Rechenmodell legt die Studie für die Dosierung des sogenannten „Verjüngungsmittels“ vor. Das sind ölige Stoffe, die das alte Bindemittel im Ausbauasphalt erweichen und damit wieder nutzbar machen. Diese Verjüngungsmittel basieren zum Beispiel auf Tallöl, einem biologischen Nebenprodukt aus der Papier-Herstellung.

Pilotprojekte und reale Teststrecken sollen Vertrauen in Recyclingbaustoff erhöhen

Wie aus den geschilderten Aspekten deutlich wird, ist die Produktion von Asphalt mit RAP aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Materialien und Stoffen deutlich komplexer als die Herstellung von neuem Asphalt. Dazu kommt die Unsicherheit über die tatsächlichen Eigenschaften der Materialien und deren Zusammenspiel.

„Das Vorgehen nach Rezeptbuch, wie das beim traditionellen Mischgutdesign gehandhabt wird, greift deshalb zu kurz“, stellt Martins Zaumanis fest. Vielmehr schlägt er vor, leistungsorientierte Testmethoden in den Prozess einzubinden, um das Material auf Rissbildung oder plastische Verformung hin zu untersuchen.

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Schwarze Asphaltberge: Der auf Deponien gelagerte Ausbauasphalt in der Schweiz soll möglichst komplett wieder im Straßenbau verwendet werden. Foto: Empa

Letztlich seien es aber vor allem erfolgreiche Pilotprojekte und reale Teststrecken, die den Straßeneigentümern und den Straßenbauern das Vertrauen in Asphalt mit einem hohem RAP-Gehalt geben können, so der Empa-Forscher. Aus diesem Grund ist im Rahmen des genannten Forschungsprojekts auf zwei Straßenabschnitten HighRAP-Asphalt eingebaut worden.

Zum einen geschah dies auf der vielbefahrenen Aathalstraße in Uster und zum anderen auf der Lukmanierpassstraße, wo aufgrund der Höhenlage wieder deutlich andere Anforderungen an den Straßenbelag gelten. In Uster konnten in der Deckschicht problemlos 30 Prozent RAP-Gehalt ohne Leistungseinbußen eingebracht werden.

„Typischerweise wird heute für eine derart stark befahrene Straße in der Deckschicht komplett auf RAP verzichtet“, erklärt Zaumanis. Bei der darunterliegenden Binderschicht zeigte sich in Uster jedoch, dass zwischen 40 und 50 Prozent RAP möglich sind. In beiden Fällen kommt standardmäßig Asphalt mit polymermodifiziertem Binder zum Einsatz. „Um den RAP-Gehalt noch mehr zu erhöhen, könnte man hoch-polymermodifiziertes Bindemittel einsetzen. Das würde den Mangel an Polymeren im RAP-Bindemittel ausgleichen“, meint Zaumanis.

Neben vielbefahrender Strecke auch eine in 1.900 Metern Höhe im Test

Im Gegensatz zur Straße in Uster ist die Strecke über den Lukmanierpass zwar nicht starkem Verkehr ausgesetzt, dafür umso raueren klimatischen Bedingungen. In der Höhenlage von 1.900 Metern können die starken Temperaturschwankungen Risse im Straßenbelag bewirken.

Dass aber auch ein Asphalt mit hohem RAP-Gehalt diesen Bedingungen trotzen kann, bewies der Realversuch. Eingebaut wurde ein Asphalt mit 85 Prozent RAP-Gehalt in der Fundationsschicht und ein Asphalt mit 70 Prozent RAP-Gehalt in den darüber liegenden Trag- und Binderschichten. Nach Tests im Labor zeigten sich die Beläge insbesondere auch sehr resistent gegenüber der befürchteten Rissbildung aufgrund von Temperaturschwankungen.

Die beiden Teststrecken in Uster und auf dem Lukmanierpass werden in den kommenden Jahren weiter überwacht und dienen dazu, das langfristige Verhalten der eingebrachten RAP-Asphalte zu untersuchen. Angesichts der bislang erfolgreichen Tests des „HighRAP“-Forschungsprojekts sowie der Tatsache, dass auf der politischen Ebene bereits Rufe nach einem Deponierverbot für Ausbauasphalt laut geworden sind, ist Martins Zaumanis optimistisch, dass die schwarzen Berge auf den Deponien in den kommenden Jahren nicht mehr anwachsen dürften.