Textilbeton: Kommt die Revolution im Brückenbau?
# 24.02.2014
Materialgemisch mit Carbon und anderen Textilstoffen soll Stahlbeton ersetzen. Vereinigung aus Hochschulen und Unternehmen will Innovation vorantreiben. Erste Erfolge im Fassadenbau. Allgemeine Zulassung zur Verstärkung im April 2014 erwartet
Carbon und Beton: die perfekte Mischung
Die Entwicklung des Stahlbetons vor über 150 Jahren bedeutete eine Revolution für die Bauindustrie. Gebäude konnten zu Hochhäusern werden, Brücken bis dahin unüberwindbare Weiten überspannen. Bis heute hat sich der Stahlbeton zu dem am häufigsten verwendeten Material am Bau entwickelt. Allein der Zenit des allgegenwärtigen Baustoffes scheint überschritten, glaubt man den Befürwortern einer neuen Technologie.
"Das Zeitalter des Stahlbetons ist vorbei - Carbon Concrete Composite läutet den Paradigmenwechsel ein!" lautet die Devise eines Konsortiums, das das schwere, korrosionsempfindliche und deshalb extra zu schützende Material Stahl durch das dauerhafte, leichtere und zudem festere Material Carbon ersetzen will. Der Vorsitzende der Vereinigung "C3 – Carbon Concrete Composite", dem 40 namhafte Firmen und Vertreter deutscher Universitäten angehören, ist Manfred Curbach.
Als Direktor des Instituts für Massivbau der TU Dresden arbeitet und lehrt er dort, wo die grundlegenden Ideen zur neuartigen Bauweise mit Carbon geboren und mit der Erforschung von Textilbeton vorangetrieben wurden. Curbach sieht die Zukunft des Bauens in der hochtechnologischen Verbindung von Carbon und Beton.
Bund fördert Technologie mit 45 Millionen Euro
Die Zukunft ihres Projekts sicherten sich Curbach und seine Mitstreiter mit der erfolgreichen Bewerbung für das Programm Zwanzig20 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das Konsortium "Carbon Concrete Composite" ist eines von zehn Projekten, das im Rahmen des Programms gefördert wird. Ganze 45 Millionen Euro wurden bis 2020 zugesagt, 23 Millionen Euro Eigenleistung der beteiligten Firmen sollen hinzu kommen.
Entscheidend für die Jury dürfte die überzeugende Darlegung des Vorhabens gewesen sein, in den nächsten zehn Jahren wenigstens 20 Prozent der Stahlbewehrung an Brücken durch Carbonbewehrung zu ersetzen.
Die erste Sanierung einer größeren Brückenkonstruktion - bisher wurden lediglich Fußgängerbrücken mit Carbonbeton alternativ bewehrt - könnte im bayrischen Naila stattfinden. "Es befinden sich viele Textilfirmen in der Nähe. Der Einsatz des Verfahrens mit Textilbeton wurde vorgeschlagen, ist aber noch nicht genehmigt", schildert Frank Schladitz, Mitarbeiter am Dresdner Institut für Massivbau.
Bisher Verstärkung nur im Einzelfall zugestimmt
Bevor es zur "Revolution" im Brückenbau kommt, werde der Textilbeton in anderen Bereichen den Stahlbeton als Mittel der Wahl ersetzen, ist sich Schladitz sicher: "In den nächsten fünf Jahren wird die Technologie ausschließlich für das Anbringen von Fassadenplatten verwendet werden." Auch für die Instandsetzung und Verstärkung von Schalentragwerken und Geschossdecken eigne sich der Textilbeton sehr gut.
Für letztere mussten bisher zwar jeweils Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) eingeholt werden, mit einer generellen Zulassung für die Verstärkung mit Textilbeton könne man aber schon im April dieses Jahres rechnen, so Schladitz im Gespräch mit bauingenieur24.
Erst die Fassaden, dann die Brücken
Grundsätzlich müsse das Projekt Carbon Concrete Composite (zu deutsch "Carbon-Beton-Gemisch") erstmal in Gang kommen, erklärt Frank Schladitz und bremst damit etwas die Euphorie um das große Ziel des Vereins, nämlich die Lösung der dauerhaften Instandhaltung von Brückenbauwerken.
Nach der bisherigen gründlichen Erforschung des Materials stünde nun die Unterstützung von Firmen und deren Neugründung sowie Schulungen zur entsprechenden Implementierung des Verfahrens als Hauptaufgabe des Konsortiums an. Für die Gruppe der Bauingenieure hat Schladitz den Rat, sich schon jetzt zumindest mit der Konstruktion von Fassadenplatten aus Textilbeton zu beschäftigen.
Vortrag zum Thema auf Brückenbausymposium
Das bevorstehende 24. Dresdner Brückenbausymposium vom 10. bis zum 11. März 2014 hält als Fortbildungsveranstaltung für Fachvertreter ebenfalls Erkenntnisse zum Thema bereit. In seinem Begrüßungsvortrag am 11. März um 9 Uhr wird Manfred Curbach dann selbst mit erwartbarem Enthusiasmus über "Carbon im Brückenbau" sprechen.