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Tragwerk: Verzweigungsknoten aus Beton und Carbonfasern entwickelt

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 7. Jan. 2021
Kategorie:

# 08.01.2021

Verbundelemente mit Vorteilen gegenüber Stahlbauweise. Interdisziplinäres Forscherteam arbeitet kompletten Herstellungsprozess aus. Biomechanik der Pflanzen als Vorbild

Verzweigte Tragkonstruktionen bieten effektive Lastabtragung

An der Universität Stuttgart wurde ein Carbonfaser-Beton-Verbund entwickelt, der eine alternative Herstellung verzweigter Tragwerke ermöglicht. Foto: Born / Universität Stuttgart / TLB
An der Universität Stuttgart wurde ein Carbonfaser-Beton-Verbund entwickelt, der eine alternative Herstellung verzweigter Tragwerke ermöglicht. Foto: Born / Universität Stuttgart / TLB

Offene und lichte Räume in Gebäuden entstehen zumeist aus einem Tragwerk aus verzweigten Stützen. Diese Art der Lastabtragung wird vor allem für repräsentative Gebäude wie beispielsweise Säle, Hallen und Aulen genutzt. Darüber hinaus sind auch Brückenbauten möglich, deren schlanke verzweigte Tragelemente sehr effektiv in der Lastabtragung sind.

Die technische Herausforderung bei verzweigten Tragkonstruktionen ist der Tragwerksknoten als Verbindungsbauteil zwischen den geraden Stäben, welcher komplexen Kräften ausgesetzt ist.

Um die Einschränkungen bisheriger Bauweisen aus Stahl zu überwinden, hat ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Stuttgart und der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) einen neuen Tragwerksknoten sowie das entsprechende Herstellungsverfahren entwickelt.


Neues Verbundbauteil aus Textilfasern und Beton

Es handelt sich dabei um ein Verbundbauteil mit einer Hülle aus Faserverbundkunststoff (FVK) und einem Kern aus Beton. Die Entwicklung entstand innerhalb des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Transregio-Programms TRR-141 "Biologisches Design und integrierte Strukturen" in Kooperation mit der Universität Freiburg.


Radialflechtmaschine erzeugt Faserhülle

Im Falle des neuentwickelten verzweigten Knotenelements wird zunächst eine Hülle aus Carbonfasern geflochten und diese zu einem Verbundbauteil konsolidiert. Die FVK-Hülle dient als Gussform, in welche im zweiten Schritt der Beton eingefüllt wird.


Herstellung komplexer Tragwerksbauteile möglich

Die in Umfangsrichtung der Kerngeometrie eingebrachten Flechtfäden bilden vor allem die dichte Hülle für den Betonguss und verstärken durch ihre Lage als Umschnürung die Druckfestigkeit des Betons, während die in axialer Richtung orientierten Stehfäden hauptsächlich die auftretenden Zugkräfte bei Biegebelastung abtragen.


Belastungsprüfungen bestätigen hohe Leistungsfähigkeit

Auf dem Flechtkern entsteht dabei immer eine dreidimensionale, endlosfaserverstärkte, verzweigte Pre-Form mit einer so genannten lastpfadangepassten Faserorientierung. Nach der Imprägnierung der textilen Pre-Form mit Kunststoff und anschließender Aushärtung ist diese formstabil und kann als Gussform bzw. verlorene Schalung für den Betonkern verwendet werden.

Die hohen Tragfähigkeiten der neuen verzweigten FKV-Beton-Verbundbauteile wurden mit Belastungsprüfungen getestet und mit strukturmechanischen Simulationen prognostiziert. Durch die Verbundkonstruktion und den Effekt der Umschnürung sind die Bauteile nach Einschätzung ihrer Entwickler sehr leistungsfähig und würden in Kombination mit entsprechenden Traggliedern schlankere und leichtere Konstruktionen ermöglichen.


Verbundbauteile korrodieren nicht

Auch die Dauerhaftigkeit der Verbundbauteile sei im Vergleich zu konventionellem Stahlbeton erhöht, da materialbedingt eine bessere Beständigkeit gegenüber Korrosion vorliege.

Im Hinblick auf verschiedene Winkel und Durchmesser sei eine große Vielfalt an Knotenformen entsprechend der Vielzahl unterschiedlicher Tragwerke herstellbar. Der geringe Unterschied im Herstellaufwand bei unterschiedlichen geometrischen Konfigurationen begünstige zudem die Gestaltungsfreiheit im Entwurf eines Tragwerks.


Forschung orientiert sich an Biomechanik pflanzlicher Verzweigungen

Aufbauend auf abgeschlossenen Forschungsvorhaben orientierten sich die hauptverantwortlichen Forscher Larissa Born und Florian Jonas bei der Entwicklung der neuen Tragknoten an der Biomechanik pflanzlicher Verzweigungen.

In Zusammenarbeit mit der Plant Biomechanics Group (PBG) der Universität Freiburg wurde die Biomechanik natürlicher Verzweigungskonstruktionen von Pflanzen untersucht und wichtige Prinzipien zur Konstruktion mit faserartigen Materialien gewonnen.

In der Natur existiert eine Vielzahl an Verzweigungsmustern: Von Astgabeln über symmetrische Drei- oder Vierfachverzweigungen bis hin zu Verzweigungsformen, die nur in bestimmten Pflanzenfamilien auftreten und typisch für diese sind.