Über Bauernproteste, die Bauwirtschaft und die Frage: Was wäre, wenn...? - Ein Kommentar
Landwirtschaft vs. Politik: Verbandspräsident spricht von "Kampfansage"
In Deutschland protestieren die Bauern. Manche gehen dabei sehr weit, einige zu weit. Was wäre, wenn ähnliche Proteste von Angehörigen der Baubranche ausgingen?
Hinter beiden Berufsgruppen stehen Kammern und Verbände, deren Strukturen bis in die Kreisebene reichen. Viele Funktionäre tragen hier Verantwortung, sind Sprachrohr ihrer Zunft und verfügen über viel Einfluss auf die Stimmungslage ihrer Anhänger.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, wählte am 18.12.2023 vor tausenden Demonstrierenden in Berlin einen eindringlichen Tonfall und scharfmachende Worte: "Mehrere tausend Traktoren. Das ist eine Ansage an die Berliner Regierung, dass das so nicht mehr weiter gehen kann. Es reicht!"
Die LSV (kurz für 'Land schafft Verbindung', siehe Bild), eine nicht unumstrittene, deutschlandweit vernetzte Gruppierung von Landwirten, hatte neben dem Bauernverband die Demo organisiert. Rukwied bezeichnete die Absicht der Bundesregierung, Steuererleichterungen für die Bauern abzuschaffen, als "Kampfansage" und die große Teilnahme am öffentlichen Protest als deutliche Reaktion darauf. Man nehme den Kampf an, es werde womöglich ein "sehr heißer Januar".
Erste unschöne Taten folgten diesen Worten am 4. Januar 2024. Die Beinah-Stürmung einer Nordseefähre durch wütende Landwirte und ihre Blockade des privat reisenden Bundeswirtschaftsministers verurteilte der Bauernverband anschließend:
"Verletzung der Privatsphäre, Gewalt und Nötigung – das sind nicht unsere Methoden des Protestes." Tonnenschwere Landmaschinen mit unmissverständlichen Parolen auf emporgereckten Hubgabeln gehören hingegen offensichtlich dazu.
Wären angesichts dieser Tatsachen auch tausende "kampfbereite" Bauunternehmer und Facharbeiter mit dröhnenden Baggern und Baumaschinen denkbar? So weit war und ist es bislang nicht. Doch konnte man letztes Jahr bereits feststellen, dass der Ton zwischen Politik und Bauwirtschaft rauer wird.
Peter Hübner - als Präsident des Hauptverbands der Bauindustrie ein mögliches Pendant zu Joachim Rukwied - äußerte sich gegenüber dem Aufreger-Blatt "BILD" im August 2023 wie folgt: "Wir haben einen Wirtschaftsminister, der sich nicht um die Wirtschaft kümmert." Auch der Finanzminister wurde im gleichen Interview namentlich erwähnt und direkt kritisiert.
Das legitime Protestmittel der Wahl ist das Wort. Es darf und muss in Positionspapieren, auf Transparenten und Kundgebungen mitgeteilt, nicht aber durch die Blockade persönlicher Freiheit oder gar Gewalttaten substituiert werden.
Auffällig – und mit dem Bauernprotest vergleichbar – ist der Verbalangriff auf einzelne Personen (argumentum ad hominem), landläufig als "Politikerschelte" bekannt, anstelle der argumentativen Adressierung einer demokratisch gewählten Regierung. Dies mag nicht immer der Fall und bisweilen auch vertretbar sein, ein wirklich guter Stil ist es nie.
Das legitime Protestmittel der Wahl ist das Wort, gerne auch mal das harte und direkte. Das darf und muss in Positionspapieren, auf Transparenten und Kundgebungen mitgeteilt, nicht aber durch die Blockade persönlicher Freiheit oder gar Gewalttaten substituiert werden.
Viele Parallelen zwischen Bauwirtschaft und Landwirtschaft
Bauwirtschaft und Landwirtschaft haben vieles gemein, sowohl historisch als auch strukturell. Ackerbau ist seit Menschengedenken mit Siedlungs- und Städtebau verbunden, beides ergab sich aus der Entwicklung von Jägern und Sammlern zu sesshaften Menschen.
Seither waren und sind Land- und Bauwirtschaft zu allen Zeiten und überall auf der Erde flächendeckend präsent, da unverzichtbar. Gleichzeitig kämpfen beide neben vermeintlich moderneren Branchen, wie beispielsweise der IT-Branche, immer wieder um ein besseres Image. (Bisher hatten wir Glück, dass neben "Bauer sucht Frau" nicht auch "Bauarbeiter sucht Karriereleiter" im Trash-TV-läuft.)
"Leise geht’s nicht" lautet der aktuelle Slogan einer Imagekampagne der deutschen Bauindustrie. Das ist ehrlich und kreativ. Die erkennbaren Ziele dahinter sind Aufklärung und Dialog.
Sollte die Bauwirtschaft sich in Zukunft zum lauten öffentlichen Protest auf der Straße genötigt fühlen, wäre eine Herangehensweise in dieser Form begrüßenswert. Verbale oder gar physische Angriffe ad hominem sind dagegen nicht hinnehmbar.
(Kontakt zum Autor: hesse@bauingenieur24.de)
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