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Variable Bauzeit: Bauherr schadet sich mit unklarer Vertragsformulierung selbst

Verfasst von: Prof. Dr. jur. Günther Schalk, FA für Bau- und Architektenrecht
Veröffentlicht am: 27. Dez. 2023
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Bauzeit muss im Bauvertrag geregelt werden

Zu einem Bauvertrag gehören drei wesentliche Elemente: Zum einen sollte er klären, was genau zu leisten ist, zum anderen, wieviel Geld der Bauausführende dafür bekommt. Schließlich sollte möglichst griffig festgelegt sein, wann es mit dem Bauen losgeht und das Bauwerk fertig zu sein hat. Die Praxis zeigt, dass zu selten alle drei Bestandteile wirklich so geregelt sind, dass nichts "anbrennen" kann.

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Die Bauzeit ist ein häufiger Streitpunkt zwischen Bauherrschaft und Bauunternehmen. Sie sollte möglichst eindeutig im Bauvertrag festgelegt werden, um schmerzhafte Kostensteigerungen zu vermeiden. Foto: S. Hofschlaeger / Pixelio

In einem Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken zu entscheiden hatte (Urteil vom 11.10.2023 – 2 U 196/22), ging es um die Bauzeit. Die Parteien stritten um wechselseitige Ansprüche aus Verträgen über die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern, wobei das Bauunternehmen den Auftraggeber auf Zahlung restlicher Vergütung verklagt hatte.

Fall: Ausführungsfrist für Sonderwünsche offen gehalten

Der Bauvertrag regelte die schlüsselfertige Errichtung eines Mehrfamilienhauses zu einem Pauschalfestpreis (1 Million Euro). Zudem war festgelegt, dass die Ausführungszeit zwölf Monate beträgt und vier Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung, spätestens vier Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn, beginnt. Schlechtwettertage sollten nicht angerechnet werden.

Weiter hieß es in der entsprechenden Vertragsklausel, dass behördliche Behinderungen des Baufortschritts sowie zusätzliche Aufträge und Sonderwünsche des Bauherrn ebenfalls "zu einer unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange des Generalunternehmers und der Nachunternehmer angemessenen Verlängerung der Ausführungsfrist führen" sollten.

Im Bauverlauf einigten sich die beiden Vertragsparteien auf verschiedene Änderungen der zu erbringenden Leistungen. Der Bauherr nahm die Leistungen der Baufirma am Ende unter Vorbehalt verschiedener Mängel ab. Danach erbrachte die Baufirma noch Restarbeiten. Rechnungen stellte das Bauunternehmen nach dem Baufortschritt. Mit der Klage machte es knapp 190.000 Euro Vergütung geltend.

Beklagter Bauherr stellt eigene Forderungen

Der Auftraggeber wehrte sich gegen die Klage und machte Gegenforderungen geltend, mit denen er gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärte. Zum einen gab er an, dass ihm im Hinblick auf die seiner Ansicht nach nicht innerhalb der vertraglichen Fristen vereinbarte Fertigstellung der Wohnungen ein Mietausfallschaden in Höhe von rund 130.000 Euro entstanden sei.

Darüber hinaus habe er für die Dauer eines Jahres vergeblich Wartungsgebühren für die Aufzugsanlage in Höhe von rund 2.400 Euro aufwenden müssen. Schließlich berief er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf vorhandene Mängel und Planungsfehler im Zusammenhang mit der Entwässerung sowie im Hinblick auf das Ausbleiben einer nach seiner Auffassung durch die Klägerin geschuldeten KfW-Bestätigung, wodurch ein Zinsschaden von rund 46.000 Euro drohe.

Die Baufirma wies die Gegenforderungen zurück. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass überhaupt kein verbindlicher Leistungstermin vereinbart gewesen sei. Insoweit liege auch keine Verzögerung in der vom Auftraggeber behaupteten Form vor. Außerdem sei nach Überzeugung der Baufirma der Zeitplan durch von ihr nicht zu vertretende Umstände gestört worden, sodass der ohnehin nicht bindende Fertigstellungstermin auch aus diesem zusätzlichen Grund obsolet geworden sei.

OLG: Vertragliche Leistungszeitbestimmung war ungenügend

Das OLG Saarbrücken kam zu folgendem Urteil: Eine Klausel in einem Bauvertrag, die vorsieht, dass die Ausführungszeit zwölf Monate beträgt und vier Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung, spätestens vier Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn beginnt, beinhaltet keine den Anforderungen des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügende Leistungszeitbestimmung. Das OLG gab damit dem Bauunternehmer Recht.

Die vom Auftraggeber behauptete Verzögerung (für die er Gegenansprüche geltend gemacht hatte) gab es nicht, weil die Regelung im Vertrag nach Überzeugung des Gerichts so unklar und undeutlich war, dass sie nicht für eine hinreichend klare Bestimmung der Bauzeit taugte. Ohne Regelung zur Bauzeit gebe es aber auch keinen automatischen Verzug. Der Auftraggeber hätte hierfür mahnen müssen, was er nicht getan hatte.

Fertigstellungstermin kann grundsätzlich an bestimmtes Ereignis gebunden werden

Laut OLG ist es grundsätzlich möglich, einen verbindlichen Fertigstellungstermin an ein anderes Ereignis zu binden, wie beispielsweise hier an den Zeitpunkt, in dem eine Baugenehmigung erteilt wird. Damit hätte die Ausführungsfrist vier Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung begonnen.

Der konkrete Vertrag sah jedoch nicht nur diese Maßgabe vor. Alternativ sollte der Auftraggeber über den Beginn der Ausführungsfrist entscheiden können („spätestens vier Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn“).

Diese Regelung könne laut OLG nur dahingehend verstanden werden, dass der Auftraggeber durch einen späteren Abruf der Leistung den Ausführungsbeginn und damit auch das Ende der Ausführungsfrist hinauszögern konnte, sodass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Leistungszeitpunkt nicht – auch nicht mittelbar über den Eintritt eines bestimmten Ereignisses – feststand. Diese Auslegung findet ihre Stütze auch in § 2 des Bauvertrags, in dem geregelt wird, dass die Bauarbeiten "sofort nach Absprache und nach Erteilung der Baugenehmigung in Angriff genommen werden."

Durch den fraglichen Bauvertrag wurde laut OLG deutlich, dass das Bauunternehmen über den Ausführungsbeginn nach Erteilung der Baugenehmigung nicht allein entscheiden konnte, sondern dass der Auftraggeber weiterhin Einfluss auf den Ausführungsbeginn behalten sollte.

Dass der beklagte Bauherr von einer Verzögerung des Baubeginns durch einen späteren Abruf tatsächlich keinen Gebrauch gemacht hat und eine entsprechende Möglichkeit nach seinem Vortrag für ihn von vornherein nicht von Bedeutung war, ist in diesem Zusammenhang laut OLG nicht relevant.