Vergabekammer: Bewertung von Präsentation muss plausibel sein

Verfasst von: Dipl.-Volkswirt Günter Göbel
Veröffentlicht am: 14. Sep. 2021
Kategorie:

# 28.09.2021

Auftraggeber kommt mit laxer Begründung nicht durch. Behörde ordnet Wiederholung der Präsentationsphase an. Neubesetzung der Vergabejury grundsätzlich empfohlen

Vergabekammer Sachsen regelt strittige Präsentationswertung

Auftraggeber müssen die Bewertung eines Bieterangebots gut dokumentieren und begründen. Bild: Tim Reckmann / Pixelio
Auftraggeber müssen die Bewertung eines Bieterangebots gut dokumentieren und begründen. Bild: Tim Reckmann / Pixelio

Bei der Bewertung von Angebotspräsentationen steht dem weiten Beurteilungsspielraum des Auftraggebers dessen Dokumentationspflicht mit hohen Anforderungen gegenüber.

Aus der Dokumentation muss unter anderem erkennbar sein, ob die Bewertung der Präsentation eines Bieters im Vergleich zu anderen Bewertungen plausibel ist.

Das hat die Vergabekammer (VK) Sachsen einem Auftraggeber ins Stammbuch geschrieben. Im Folgenden sind die Aussagen der VK zur Präsentationswertung zusammengefasst.


Fall: Projektsteuerungsauftrag für Schulmodernisierung

Im konkreten Fall hatte der Auftraggeber Planungsleistungen für die Modernisierung eines Schulgebäudes im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Bewertet wurden das Projektteam, die Arbeitsaufgabe und das Honorar.

Ein Ingenieurbüro war mit der folgenden Bewertung (Wortlaut der Begründung für Vergabe von zwei - statt drei - Punkten im Kriterium "Darstellung der Herangehensweise anhand eines Referenzprojekts in Bezug auf Kosten, Termine, Büroverfügbarkeit und Qualitäten") nicht zufrieden:

  • "Die meisten Kriterien wurden gut dargestellt, Erläuterungen waren überwiegend verständlich. Es wurden Beispiele für Problempunkte bzw. kritische bautechnische Situationen punktuell benannt. Jedoch wurde die Herangehensweise an Termine, Kosten und Qualitäten nur sehr allgemeingültig erläutert."


Behörde setzt Vergabeverfahren zurück

Der Bieter griff die Begründung mit dem Vorwurf an, es handele sich ausschließlich um nichtssagende und formelhafte Formulierungen. Es sei nicht im Ansatz erkennbar, nach welchen Kriterien die Jury ihre "Kollektivbewertung" vorgenommen habe.

Die Vergabekammer gab dem Büro recht und hat das Verfahren in den Stand vor Versendung der Einladungen zum Präsentationstermin zurückgesetzt (VK Sachsen, Beschluss vom 22.03.2021, Az. 1/SVK/046-20, Abruf-Nr. 223498). Die Kammer hat grundlegende Aussagen zur Wertung und Dokumentation der Wertung von Präsentationen gemacht.


Problem: Einmalige Präsentation nur eingeschränkt überprüfbar

Dem öffentlichen Auftraggeber steht demnach bei der Bewertung von Präsentationen ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist.

Die Prüfung der Kammer bezog sich gezielt darauf, ob der Auftraggeber seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, sachfremde Erwägungen anstellt oder sich nicht an den von ihm aufgestellten Beurteilungsmaßstab hält bzw. willkürlich handelte.

Da die Präsentation einen Vorgang darstellt, der einer Situation in einer mündlichen Prüfung ähnelt und wegen seiner Einmaligkeit nicht wiederholt werden kann, ist nur eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit gegeben.


Auftraggeber zu eingehender Dokumentation verpflichtet

Dem weiten Beurteilungsspielraum steht als Kehrseite die Dokumentationspflicht gegenüber. Sie dient dazu, dem Bieter den Weg zur Vergabeentscheidung nachvollziehbar und (auch gerichtlich) kontrollierbar zu machen.

Der Auftraggeber hat daher seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.


Bieterbewertung darf nicht pauschal formuliert sein

Es muss insbesondere erkennbar sein, ob die Bewertung jedes Bieters im Vergleich zu anderen Angeboten plausibel ist:

  • Die Vergabestelle muss die Wertung so dokumentieren, dass die "Bepunktung" der Konzepte, einschließlich genauer Ausführungen zu jeder Wertungskategorie, für Nachprüfungsinstanzen nachvollziehbar ist.
  • Es müssen Erwägungen dokumentiert sein, die einen Subsumtionsvorgang darlegen und hieraus die Bewertung des konkreten Angebots nachvollziehbar erscheinen lassen.
  • Ebenso wie die bloße Ergebniswiedergabe sind auch pauschale Aussagen oder formelhafte Formulierungen unzureichend. Vielmehr müssen die konkreten Entscheidungsgründe anhand des jeweils zu bewertenden Angebots unter Rückgriff auf das anwendbare Kriterium dargelegt werden.
Eine "zusammenfassende Bewertung" ist nicht nachvollziehbar, wenn es darin nur ganz allgemein heißt, dass die meisten Kriterien gut dargestellt worden, Erläuterungen überwiegend verständlich und Beispiele für Problempunkte punktuell benannt worden sind, jedoch die Herangehensweise an Termine, Kosten und Qualitäten nur sehr allgemeingültig erläutert sind (vgl. aktueller Fall).


Objektivität nur durch vollständige Dokumentation möglich

Eine genaue Dokumentation während der Angebotsbewertung ist der beste Nachweis einer möglichst objektiven Entscheidung bei der Vergabe. Foto: Petra Bork / Pixelio
Eine genaue Dokumentation während der Angebotsbewertung ist der beste Nachweis einer möglichst objektiven Entscheidung bei der Vergabe. Foto: Petra Bork / Pixelio

Bei der Bewertung einer Präsentation kommen immer auch subjektive Bewertungselemente und/oder eine situative Bewertung ins Spiel. Um subjektive Eindrücke objektivierbar zu machen, bedürfe es laut Vergabekammer einer vollständigen Dokumentation.

Die Dokumentation der ursprünglichen Wertung der Präsentation der Antragstellerin erfüllte diese Anforderungen nicht. Sowohl was den Umfang als auch die inhaltliche Tiefe angeht, war die Begründung für die Wertung der Präsentation unzureichend.

Es handelte sich zudem teilweise entgegen der Überschrift in der Bewertungsmatrix nicht um eine "Begründung", sondern um eine "Behauptung" bzw. um pauschale Aussagen. Konkrete Angaben, welche Angaben z. B. fehlen oder warum Erläuterungen nur allgemeingültig sind, wurden nicht getätigt. Die VK dazu wörtlich:

  • "Insgesamt sind die Ausführungen in der Begründung formelhaft und pauschal. Sie lassen wenig Konkretes erkennen und machen es unmöglich, den Wertungsvorgang zu überprüfen."


Auftraggeber zu vergleichender Bewertung aller Angebote angehalten

Die VK moniert ferner, dass auch eine vergleichende Bewertung oder Anhaltspunkte dafür fehlten, warum zum Beispiel die Präsentation eines anderen Büros in diesem Kriterium besser bewertet wurde. Damit sei eine Kontrolle, ob die Bewertung der einen Präsentation im Vergleich zu der anderen plausibel ist, nicht möglich.

Durch konkrete Aussagen, was der Unterschied zwischen beiden Präsentationen war, hätte der Auftraggeber diese Anforderung nachweisen und somit der Begründung insgesamt eine weitere inhaltliche Tiefe verleihen können.

Die VK wies außerdem darauf hin, dass ein Kriterium, das mit insgesamt 20 Prozent in die Wertung einfließt, von erheblicher Bedeutung für die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots ist. An dieser Bedeutung muss sich die Dokumentation der Begründung der Bewertung orientieren bzw. messen lassen.

Im konkreten Fall war der Transparenzgrundsatz nicht erfüllt. Deshalb war es der VK nicht möglich, überhaupt zu entscheiden, ob der Beurteilungsspielraum der Auftraggeberin bei der Bewertung gewahrt wurde, also die Wertung rechtmäßig erfolgt war oder nicht.


Unzureichende Dokumentation im Nachhinein kaum korrigierbar

Nicht zuletzt ging es um die Frage, ob ein Dokumentationsmangel (durch die Neuaufstellung der Dokumentation) heilbar ist. Es gehe hier, so die VK, um die Bewertung einer Präsentation, die besonders durch situativ und subjektiv geprägte Wahrnehmungen beeinflusst werde.

Im Rahmen der "Neuwertung" hatte sich die Jury nur mit den schriftlichen Präsentationsunterlagen und -protokollen erneut auseinandergesetzt. Bei der qualitativen Wertung sollten aber sowohl die schriftliche als auch die mündliche Präsentation Eingang in die Wertung finden.

In diesen Fällen besteht das Risiko, dass ein Auftraggeber seine Wertungsentscheidung durch ergänzende Erwägungen verteidigt, ohne dass für die VK nachprüfbar ist, ob diese Erwägungen auf der Grundlage eines zutreffenden Sachverhalts – hier die mündlich vorgetragenen Präsentationsteile – ergangen sind.

Überdies lag zwischen der Präsentation und der neu bzw. ausführlicher erstellten Begründung ein langer Zeitraum (vier Monate), was gegen die Möglichkeit einer Heilung des Dokumentationsmangels spricht.


Fazit: Wertung der eigenen Angebotspräsentation hinterfragen

Planungsbüros sollten bei der Wertung ihrer Präsentation genau hinschauen und im Zweifel auch nachhaken. Befürchtungen, dass man bei der Jury damit ein für alle Mal "durchgefallen" ist, hat wohl auch die VK gesehen und deswegen folgende wegweisende Sätze in ihre Entscheidung hineingeschrieben:

  • "Es wird vorliegend angeregt, dass die Auftraggeberin die Zusammensetzung der Jury ändert und/oder komplett austauscht. Dieser Hinweis erfolgt vorsorglich und ist nicht verbindlich. Bei einer erneuten Wertung der Präsentationen wäre die bestehende Jury zum 3. Mal mit dem streitigen Sachverhalt betraut."
  • "Im Hinblick auf eine mögliche weitere rechtliche Auseinandersetzung könnte man durch eine Änderung der Zusammensetzung der Jury von vornherein potenziellen Argumenten im Hinblick auf eine nicht 100 Prozent unvoreingenommene Wertung die Grundlage entziehen."



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