Verkehrssicherung an Baustellen: Wer haftet für ein umgefallenes Schild?

Verfasst von: Prof. Dr. jur. Günther Schalk, FA für Bau- und Architektenrecht
Veröffentlicht am: 20. Sep. 2023
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Baustellenschild löst sich aus Verankerung: 3.200 Euro Schaden

Wenn einem bei einer Fahrt auf der Autobahn mit 130 km/h oder gar noch mehr plötzlich ein Verkehrsschild entgegenkommt, ist das für den betreffenden Autofahrer, vorsichtig ausgedrückt, eine etwas ungünstige Begegnung. Genau das allerdings passierte auf der Autobahn A 48.

Ein Baustellenschild hatte sich aus seiner Verankerung gelöst und war auf das Auto gefallen, als dies gerade die betreffende Stelle passierte. Der Autohalter machte den Schaden von rund 3.200 Euro (die Sache war insoweit noch glimpflich abgegangen) gegen das Land Rheinland-Pfalz geltend.

Baustellenschild
Für die Kontrolle von Bauschildern und anderen Verkehrssicherungseinrichtungen sind neben den öffentlichen Auftraggebern häufig auch Bauunternehmen zuständig. Foto: Uschi Dreiucker / Pixelio

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat dem Fahrzeughalter in seinem Beschluss vom 4.3.2022 (12 U1858/21) diesen Schadensersatzanspruch allerdings verwehrt. Das Land habe, vereinfacht dargestellt, nichts falsch gemacht. Zur Begründung heißt es:

  1. Löst sich in einem Baustellenbereich auf einer Autobahn ein dort für die Baustelle angebrachtes Verkehrsschild aus seiner Befestigung und beschädigt ein in diesem Moment vorbeifahrendes Fahrzeug, haftet das grundsätzlich verkehrssicherungspflichtige Land nicht für den eingetretenen Schaden, wenn das vom Land mit der Überprüfung und Bewachung der Baustelle beauftragte „Drittunternehmen“ eine hinreichende Sicherheitskontrolle durchgeführt hat.
  2. Hierfür genügt grundsätzlich eine visuelle Kontrolle der Verkehrsschilder; Rüttelproben sind nur dann erforderlich, wenn die visuelle Kontrolle Hinweise auf vorhandene Schäden erbracht hat.
  3. Überträgt das Land seine Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten, verbleibt beim Land eine eingeschränkte Verkehrssicherungspflicht, die sich auf Kontroll- und Überwachungspflichten hinsichtlich des beauftragten Übernehmers verkürzt, wobei stichprobenartige Kontrollen genügen.
  4. Der für die Verkehrssicherungspflicht Verantwortliche muss eine sichere, nicht jedoch die sicherste – ggf. deutlich teurere und unpraktikable – zur Schadensabwendung geeignete Maßnahme treffen (hier: konstruktive Gestaltung der Rahmenbefestigung eines Verkehrsschilds).

Verkehrssicherung wird oft vertraglich an Bauunternehmen übertragen

Auch wenn der Beschluss hier gegen die öffentliche Hand als Bauherrin erging, ist die Entscheidung durchaus auch für Baufirmen interessant. An sie ist die Verkehrssicherung nämlich häufig vertraglich übertragen und damit delegiert. Die Baufirma ist dann ein sogenannter "Dritter", wie es im 3. Leitsatz des Beschlusses steht. Wenn der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall wie oben in Anspruch genommen wird, wird er letztlich versuchen, sich 1:1 an der von ihm beauftragten Baufirma schadlos zu halten.

Daher gilt auch für eine Bauunternehmen: Die Art und Weise der gewählten Befestigung eines zur Baustellensicherung angebrachten Verkehrsschildes muss den Regeln der Technik entsprechen. Die ausführende Firma muss das Schild ordnungsgemäß aufstellen und dann im weiteren Verlauf regelmäßig kontrollieren.

DIN 18329 schreibt werktägliche Kontrolle von Bauschildern vor

Bei der Gretchenfrage, was denn nun "regelmäßig" bedeutet, lohnt sich einmal mehr ein Blick in die Normenlandschaft, hier in die VOB/C. Es gibt seit mehreren Jahren eine DIN 18329 für die Durchführung von Verkehrssicherungsarbeiten. Dort heißt es in Abschnitt 3.2.2.1:

  • Bei der Kontrolle sind Funktion und Vollständigkeit der Verkehrssicherungseinrichtungen entsprechend der verkehrsrechtlichen Anordnung und sonstigen vertraglichen Vorgaben zu prüfen. Kontrollen sind einmal werktäglich durch den in der verkehrsrechtlichen Anordnung genannten Verantwortlichen durchzuführen.
  • Sofern der Verantwortliche einen Vertreter oder Beauftragten benennt, muss dieser die gleichen Voraussetzungen zur Durchführung der Kontrollen erfüllen. Ergebnis, Umfang sowie Zeitpunkt der Kontrollen sind zu dokumentieren; diese Dokumentation ist dem Auftraggeber zu übergeben. Darüber hinausgehende Leistungen zur Kontrolle sind Besondere Leistungen (Anm. des Verfassers: und damit mehrvergütungspflichtig).