Vorbildfunktion und Forschung: Wie der Holzbau die Klimaziele des Bundes sichern soll
Bundesregierung will Holzbauquote bis 2030 deutlich erhöhen
Für die Bundesregierung ist die Klimaneutralität in allen Wirtschaftsbereichen das erklärte Ziel. Um dies für die Bauwirtschaft zu erreichen, soll der Holzbau stärker gefördert werden.
Bis 2030 will man mit einer neuen Holzbauinitiative den Einsatz von Holz wesentlich verbessern und die Holzbauquote merklich erhöhen. Aktuell werden deutschlandweit 26 Prozent der Ein- und Zweifamilienhäuser aus Holz gebaut. Beim mehrgeschossigen Wohnungsbau sind es weniger als fünf Prozent.
Die Holzbauinitiative des Bundes benennt in acht Handlungsfeldern Lösungsansätze, die von den betreffenden Bundesressorts in eigener Zuständigkeit und vorbehaltlich der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel umgesetzt werden sollen. Dazu zählen eine Vorbildfunktion des Bundes, die Stärkung von Forschung und Innovation, die Fachkräftesicherung sowie die Sicherung der Rohstoffversorgung.
Bezüglich letzterer weisen die Initiatoren auf die Auswirkungen des Klimawandels und einer klimaangepassten Waldnutzung hin, welche dazu führen würden, dass mittelfristig vermehrt Nadelhölzer anfallen und als Rohstoff zur Verfügung stehen. Gleichzeitig werde aufgrund der Klima- und Biodiversitätskrise die Entwicklung naturverträglicherer bzw. klimaresilienter Bewirtschaftungskonzepte notwendig. Das holz- bzw. forstwirtschaftliche Stichwort hierbei lautet "Waldumbau".
Holzindustrie erwartet erhöhtes Holzaufkommen durch Waldumbau
Wie sich der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie (HDH) diesen Umbau vorstellt, rechnet dessen Sprecher Denny Ohnesorge gegenüber tagesschau.de vor: "Würden wir die Holzbauquote bei Ein- und Zweifamilienhäusern verdoppeln und bei Mehrfamilienhäusern verdreifachen, würde das laut einer Studie der Ruhr-Universität in Bochum einen Mehrbedarf an Rohholz von bundesweit knapp vier Millionen Kubikmeter mit sich bringen."
Zum Vergleich: Allein Deutschlands Exporte an Nadelholz erreichten laut Ohnesorge im Jahr 2021 rund 19 Millionen Kubikmeter, also fast das Fünffache. "Der notwendige Umbau der deutschen Wälder hin zu klimaresilienten Ökosystemen wird voraussichtlich in den kommenden 20 Jahren zu einem hohen Aufkommen an Holz führen", prognostiziert der HDH-Sprecher. Mit anderen Worten: Je mehr heute mit Holz gebaut wird, desto schneller werden die Wälder an die neuen klimatischen Voraussetzungen neben einer veränderten Nutzungsart angepasst.
Holzbauinitiative: Potenziale des Holzbaus durch gezielte Forschung fördern
Bei allem gebotenen Tempo, mahnen Experten jedoch im Sinne der Kreislaufwirtschaft eine möglichst langfristige, stoffliche Verwendung von Holz an. Auch der Bund setzt mit seiner Holzbauinitiative auf eine ressourceneffiziente Holznutzung und eine möglichst langfristige Kohlenstoffbindung im Holz.
Dafür müssten Prinzipien der sogenannten Kaskadennutzung und des kreislaufgerechten Bauens etabliert werden, so die Verantwortlichen auf Bundesebene. Dies bedeutet, dass der Rohstoff Holz mehrfach genutzt wird, beispielsweise vom Furnier, über Papier bis hin zur Verwertung in der chemischen Industrie.
Neben dem Potenzial der möglichst langen Nutzung und häufigen Wiederverwendung werden dem Holzbau gegenüber anderen Bauweisen auch von der Bundesregierung weitere Vorteile zugesprochen. Dazu zählen die regionale Beschaffung des Rohstoffs sowie ein potenziell hoher Grad der Vorfertigung und die Möglichkeit automatisierter Bauprozesse. Hier bieten sich nicht wenige Ansatzpunkte für die Forschung.
In einem Kooperationsprojekt (CarboRegio) der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) und des Holzforums Allgäu wurde beispielsweise zuletzt nachgewiesen, welchen Einfluss die Regionalität auf die CO2-Bilanz von Holzprodukten tatsächlich hat. Für jedes Produkt, darunter der Rohbau eines Einfamilienhauses aus Starkholzplatten (ohne Keller), wurde dazu mithilfe der Methode der Ökobilanzierung eine CO2-Bilanz erstellt und eine regionale und eine nicht-regionale Variante miteinander verglichen. Es wurden also die Rohstoffbereitstellung, die Herstellung sowie alle Transporte bis zum Endkunden berücksichtigt ("cradle to consumer").
Studie: Rohholzbereitstellung verursacht größten Anteil an Treibhausgasemissionen
Die Ergebnisse zeigen, dass sich der der Anteil der Transporte an den Treibhausgasemissionen bei den untersuchten Produkten unterscheiden. Generell hängt der Einfluss der Transporte von der Komplexität des Produktes ab: Je mehr Produktionsschritte und Materialien für die Herstellung notwendig sind, umso geringer wird der Anteil der Transporte.
Letztlich verursachen laut der Studie bei fast allen untersuchten Holzprodukten nicht die Transporte, sondern die Herstellung bzw. die Rohholzbereitstellung den größten Anteil an den Treibhausgasemissionen. Es sei daher zu empfehlen, so die Projektpartner, dass für eine Verbesserung der CO2-Bilanz neben den Transporten auch die Produktionslinien optimiert werden.
Genau hier setzen neue Produktionsverfahren unter Berücksichtigung von robotischen und automatisierten Systemen an. An der Technischen Fakultät der Universität Freiburg wurde zuletzt ein Pavillon in Holzleichtbauweise errichtet, an dem modellhaft neue Materialien und Bauweisen erprobt und erforscht werden können.
Für den Bau der Holzhülle mit dem etwas kryptischen Namen "livMatS Biomimetic Shell @ FIT" haben Forschende der Universitäten Stuttgart und Freiburg neue computerbasierte Planungsmethoden, robotische Fertigungs- und Bauprozesse sowie neue Formen der Mensch-Maschine-Interaktion eingesetzt, die eine deutliche Ressourcenersparnis im Vergleich zum konventionellen Holzbau ermöglichen sollen.
Universitäten erforschen Materialien und Bauweisen an Holzpavillon
Die "livMatS Biomimetic Shell @ FIT" besteht aus hölzernen Hohlkassetten, wodurch sich der Materialverbrauch für die Gebäudehülle und ihr Gewicht minimieren lassen. Eine detaillierte Lebenszyklusanalyse zeigt, dass der Materialeinsatz bei dem Bau um mehr als 50 Prozent und das Erderwärmungspotenzial um nahezu 63 Prozent im Vergleich zu einem konventionellen Holzbau reduziert sind.
"Das materialeffiziente Prinzip der Hohlkassette haben wir bereits beim ‚BUGA Holzpavillon 2019‘, den wir bei der Bundesgartenschau in Heilbronn 2019 präsentiert haben, in einem temporären, offenen Bauwerk angewendet", sagt Professor Achim Menges vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und Sprecher des Exzellenzclusters IntCDC der Universität Stuttgart.
"Wir haben dieses Prinzip für ein dauerhaftes, geschlossenes Gebäude mit ganzjähriger Nutzung weiterentwickelt. Die Holzbauweise haben wir dahingehend optimiert, dass wir nachhaltigere Holzwerkstoffe nutzen und die Bauteile so angepasst haben, dass bei der robotischen Herstellung so wenig Verschnitt wie möglich entsteht." Die gesamte Baustruktur sei so konzipiert, dass sie einfach zerlegt werden kann, wiederverwendbar ist und ihre Bestandteile sortenrein trennbar bleiben.
Transportable Roboterplattform fertigt Holzbauteile
Die Bauteile wurden von einer neuentwickelten, transportablen Roboterplattform durch den Kooperationspartner müllerblaustein HolzBauWerke GmbH gefertigt. Dabei wurden manuelle Teilmontageschritte von Sonderbauteilen wie Leuchtmitteln und Akustikelementen mithilfe von Augmented Reality integriert. "Diese Form der Mensch-Maschine-Interaktion im Fabrikationsprozess ermöglicht eine effektive, digital-handwerkliche Herstellung komplexer Bauteile mit einem hohen Maß an Präzision", erklärt Achim Menges.
Für die "livMatS Biomimetic Shell @ FIT" kamen zudem erstmals automatisierte Spinnenkräne in einer realen Baustellensituation zum Einsatz. Die Kräne sind mit Vakuumgreifern ausgestattet, die Bauteile aufnehmen, sie automatisch an der entsprechenden Einbauposition platzieren und in Position halten, bis diese von einem weiteren Kran verschraubt werden. "Damit diese Bauroboter präzise arbeiten, haben wir ein automatisiertes Netz aus Echtzeit-Tachymetern entwickelt, die ihre Position bestimmen", so Menges.
Auf die klimaneutrale und zugleich praxisorientierte Forschungsarbeit in Sachen Holzbau zielen auch gezielte studentische Wettbewerbe ab. Bereits zum elften Mal zeigten zum Beispiel Studierende des Bachelorstudiengangs Holzingenieurwesen der FH Aachen im Rahmen ihres Semesterprojekts, wie kreative Holzbauten aussehen können.
Ideenwettbewerbe sollen Bauen mit Holz voranbringen
Die Aufgabenstellung forderte in diesem Jahr von den Studierenden die Entwicklung, Konstruktion und Ausführung eines Informationsstandes zum Thema "Bauen mit Holz". Drei Teams traten gegeneinander an. Ihre Konstruktionen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie schnell auf- und abbaubar sowie mit einem begrenzten Volumen einfach zu transportieren sind.
Die Jury bewertete neben der Einhaltung der Vorgaben bezüglich der Außenmaße und Höhe unter anderem auch die Tragwerksplanung, den konstruktiven Holzschutz sowie die Konzeption von Bauteilvorfertigung, Transport und Montage.
Solche und ähnliche Arten der anwendungsorientierten Forschung und des Ideenwettbewerbs will die Bundesregierung mit ihrer Holzbauinitiative laut zugehöriger Handreichung explizit fördern. Zur erfolgreichen Umsetzung der Initiative sind zudem verschiedene Dialogformate mit den Bundeländern und Verbänden geplant.
Am 10. Oktober 2023 findet hierzu die Auftaktveranstaltung in Berlin unter Beteiligung den beiden Bundesminister Klara Geywitz und Cem Özdemir statt. Hinzu kommt ein regelmäßiger Runder Tisch "Holzbau des Bundes" zum Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch mit Ländern und kommunalen Spitzenverbänden.