Wann ein Ententeich zum Ingenieurbauwerk wird
Fall: Aus Ententeich wird Regenwasserspeicher
Nicht immer beschäftigt sich die Justiz mit staatstragenden Fragestellungen. Manchmal sind es auch eher Detailfragen, die auf den ersten Blick etwas suspekt klingen. In diese Kategorie fällt ein Rechtsstreit, der bis an das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hochgespielt wurde. Man fühlt sich dabei zurückversetzt in den legendären Loriot-Dialog der Herren Müller-Lüdenscheid und Dr. Klöbner ("Die Ente bleibt draußen!").
Ein Ingenieurbüro hatte die Leistungsphasen 1–9 abgearbeitet, es ging um ein "bewegendes Bauprojekt". Ein Ententeich war umzufunktionieren in einen Regenwasserspeicher. Der Ingenieur rechnete nach dem Leistungsbild Ingenieurbauwerke ab. Der Bauherr widersprach. Der Naumburger Bausenat hatte also zu beurteilen: Handelt es sich bei einem Ententeich um ein Ingenieurbauwerk?
Hier die Leitsätze des Urteils vom 16.05.2024 (2 U 96/23):
- Wird ein sog. Abgrabungsgewässer (hier: der Ententeich) zur Ableitung von Mischwasser (Grund-, Regen- und Schmutzwasser) genutzt, wird es vom Begriff des Ingenieurbauwerks nach § 41 Nr. 2HOAI 2013 erfasst.
- Beziehen sich ingenieurtechnische Planungen auf die Umwidmung und Umgestaltung des Teichs zu einem Zwischenspeicher für abfließendes Regenwasser, so ist ein Anspruch auf Abrechnung eines Umbauzuschlags nach § 44 Abs. 6 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 HOAI 2013 begründet.
OLG: Veränderter Teich ist nicht als Freianlage zu definieren
Die Einordnung des Ententeichs als Ingenieurbauwerk hielt das OLG für zutreffend, denn:
"Der Begriff der Ingenieurbauwerke umfasst nach § 41 Nr. 2 HOAI 2013 auch Bauwerke und Anlagen der Abwasserentsorgung und nach § 41 Nr. 3 HOAI 2013 Bauwerke und Anlagen des Wasserbaus, ausgenommen Freianlagen nach § 39 Abs. 1 HOAI 2013.
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung handelt es sich bei dem sog. Ententeich nicht um eine Freianlage i.S.v. § 39 Abs. 1 HOAI 2013. Es geht nicht um eine planerisch gestaltete Freifläche in Angrenzung an Bauobjekte, sondern um die Umwidmung des Teiches selbst durch Veränderungen am Teich.
Die neu hinzukommende bzw. zu verstärkende Funktion des Teiches sollte im Jahr 2014 die Nutzung als Retentionsbecken, hier als Zwischenspeicher für abfließendes Regenwasser sein. Damit stand eine Nutzung als Anlage der Abwasserversorgung bzw. des Wasserbaus – diese Differenzierung ist für die Entscheidung im hiesigen Rechtsstreit unerheblich (künftig verkürzt: Anlage des Wasserbaus) – im Raum.
Dem entspricht, dass die Parteien die Leistungen nach den Leistungsphasen des § 43 HOAI 2013 definierten und die Klägerin ihre Leistungen nach den Mindestsätzen der §§ 43, 44 HOAI 2013 abrechnete."