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HOAI 2013: Mindestsatzunterschreitung teilweise legal

Verfasst von: Dipl.-Ing. Klaus D. Siemon, Osterode/Harz
Veröffentlicht am: 28. Aug. 2014
Kategorie:

# 29.08.2014

Honorarsenkung unter anderem bei Überlängen rechtlich möglich. Auftraggeber nutzen nachteilige Gesetzeslage für Minderungsansprüche. Zahlreiche Argumente gegen unsachgemäßes Vorgehen für Büros gegeben

Neue HOAI mit vielen Fallstricken

Die Lücken der HOAI 2013 erlauben eine Unterschreitung des Mindesthonorars. Auftraggeber, die dies ausnutzen, riskieren einen Leistungsverlust. Foto: Pauline / Pixelio
Die Lücken der HOAI 2013 erlauben eine Unterschreitung des Mindesthonorars. Auftraggeber, die dies ausnutzen, riskieren einen Leistungsverlust. Foto: Pauline / Pixelio

Die HOAI 2013 wurde mit heißer Nadel gestrickt. Ein typisches Beispiel ist die HOAI-konforme Mindestsatzunterschreitung bei Projekten mit großer Längenausdehnung, die sich bei den Ingenieurbauwerken (§ 44 Abs. 7), der Tragwerksplanung (§ 52 Abs. 5) und der Technischen Ausrüstung (§ 56 Abs. 6) befinden.

Erste Erfahrungen aus HOAI 2013-Projektabwicklungen zeigen, dass die Regelung benutzt wird, um unsachgemäße Honorarminderungen durchzusetzen. Steuern Sie daher erfolgreich dagegen.


Umstrittene Regelung faktisch nicht anwendbar

In § 44 Abs. 7 HOAI 2013 ist Folgendes geregelt:

    "Steht der Planungsaufwand für Ingenieurbauwerke (Anm. d. Red.: das Gleiche gilt für Tragwerke und Technische Anlagen) mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar, ist § 7 Absatz 3 anzuwenden."
§ 7 Abs. 3 HOAI wiederum regelt, dass die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden dürfen. Damit wird durch diese Regelung eine Mindestsatzunterschreitung legal möglich.


Viele Argumente gegen Anwendung

Diese Regelung wird im Zuge der Vertragsanbahnung und bei VOF-Verfahren gelegentlich als Honorarminderungsinstrument benutzt, wenn der Auftraggeber ein Missverhältnis sieht. Konfrontieren Sie Auftraggeber in solchen Fällen mit folgenden – stichhaltigen – Gegenargumenten:

  1. Vor Planungsbeginn ist keinesfalls erkennbar, ob und inwieweit ein Missverhältnis zwischen Planungsaufwand und Honorar besteht. Denn der Planungsaufwand ergibt sich erst im Zuge der Planung selbst. Lösen zum Beispiel Umweltfragen komplexe Erörterungen im Rahmen der Grundleistungen mit den zuständigen Behörden aus, wird kein Missverhältnis vorliegen (Grund: hoher Planungsaufwand).

  2. Unklar ist, wann ein Missverhältnis überhaupt aufwandsbezogen "beginnt" und wann kein Missverhältnis vorliegt.

  3. Die Regelung spricht von Planungsaufwand, während die HOAI die Honorare für Grundleistungen aufwandsneutral regelt. Unklar ist auch, was eigentlich zum Planungsaufwand im Sinne dieser Regelung zählt ("junge" Mitarbeiter in Büros benötigen oft mehr zeitlichen Aufwand als erfahrene). Darüber hinaus sind oft auch fachliche Einzelheiten, die sich erst nach Auftragserteilung zeigen, aufwandsrelevant (z.B. naturschutzrechtlicher Abstimmungsaufwand, soweit im Rahmen der Grundleistungen liegend).

  4. Der Planungsaufwand wird im Regelfall durch bürospezifische Aufzeichnungen anhand der tatsächlich abgewickelten Tätigkeiten festgestellt. Er kann daher nicht bereits vor Vertragsabschluss bemessen werden.

  5. Ungeklärt ist die Frage, wann die Voraussetzung "große Längenausdehnung" bei Ingenieurbauwerken oder Technischen Anlagen vorliegt und wo die Grenze zur normalen Längenausdehnung besteht.

  6. Die Textregelung "… die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden …" ist nicht nachvollziehbar. Es scheint, dass sie nur dann anwendbar sein soll, wenn mehrere Objekte vorliegen. Damit dürfte der Anwendungsbereich auch nur entsprechende Einzelfälle betreffen.


PRAXISHINWEIS: Planungsaufwand vor Planungsbeginn schwer bestimmbar

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Regelung in § 44 Abs. 7, § 52 Abs. 5 und § 56 Abs. 6 HOAI 2013 unbestimmt ist. Bei einer unbestimmten Regelung ist aber unklar, bei welchem Sachverhalt sie überhaupt anwendbar ist.

Eindeutig dürfte sein, dass die Regelung in VOF-Verfahren nichts zu suchen hat, weil die Frage des Planungsaufwands und andere Fragestellungen vom Auftraggeber nicht selbst beantwortet werden können (er erbringt keine Planungsleistungen) und keinesfalls bereits vor Planungsbeginn seriös bestimmbar sind.


Vergabeverfahren können gerügt werden

Mit der umstrittenen HOAI-Regelung können Sie bei der Planung und Überwachung von Hochstraßen, Brücken, Schallschutzbauwerken, Lärmschutzwällen, Transport- und Abwasserleitungen oder Uferwänden und -befestigungen konfrontiert werden. Ja, es soll sogar Auftraggeber geben, die Türme als Bauwerke mit großer Längenausdehnung einstufen.

Teilen Sie solchen Auftraggebern, die die Regelung ins VOF-Verfahren oder in die Vertragsanbahnung einbeziehen wollen, mit, dass sie vor Vertragsabschluss gar nicht sachgerecht beurteilen können, ob die Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen. Es ist reine Spekulation. Der Auftraggeber läuft Gefahr, dass ein Vergabeverfahren erfolgreich gerügt wird, wenn er die jeweiligen Anbieter von Planungsleistungen ungleich behandelt (Benachteiligung von Büros, die ihr Honorar nicht nach dem Ausnahmefall anbieten).


FAZIT: Planung hat ihren (Mindest-)Preis

Die HOAI enthält an verschiedenen Stellen Regelungen, die unbestimmt sind und Ausstiegsklauseln enthalten, um die Mindestsätze zu unterschreiten. Entsprechende Fälle werden die Gerichte lösen müssen. Auftraggeber tun aber gut daran, es gar nicht so weit kommen zu lassen.

Sie sollten den Fokus mehr auf die Qualität von Planung und Bauüberwachung richten als auf mögliche Honorareinsparungen. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass vertragliche Vereinbarungen, die den Schwerpunkt auf die Qualitätssicherung auf der Leistungsseite legen, den Erfolg des Gesamtprojekts sehr viel stärker fördern als die Ausnutzung von HOAI-Lücken zulasten der planenden Berufe.



QUELLEN UND VERWEISE:

Planungsbüro professionell (PBP)