Zum Hauptinhalt springen

Konfliktklauseln im Ingenieurvertrag: Was gute Regelungen auszeichnet

Verfasst von: Dr. Martin Stoltefuß
Veröffentlicht am: 24. März 2017
Kategorie:

# 28.03.2017

Umgangsregeln für Konfliktfall vertraglich festlegen. Projektgröße gibt Vertragsumfang vor. Abstimmung mit sonstigen Verträgen zur Vermeidung von Abweichungen Sache des Auftraggebers

Vertragsfreiheit ermöglicht klare Regelung zum Umgang mit Konflikten

Ein ausführlicher Ingenieurvertrag kann folgenschweren Konfliktfällen mit entsprechenden Klauseln vorbeugen. Foto: Thorben Wengert / Pixelio
Ein ausführlicher Ingenieurvertrag kann folgenschweren Konfliktfällen mit entsprechenden Klauseln vorbeugen. Foto: Thorben Wengert / Pixelio

Der Grundsatz der Vertragsfreiheit ermöglicht es Ihnen, mit Ihrem Vertragspartner die rechtliche Beziehung detailliert, praktikabel und interessensgerecht zu gestalten. Der Architekten- bzw. Ingenieurvertrag ist dabei die wichtigste juristische Basis dieser Beziehung.

Dabei geht es nicht nur darum, dort zum Beispiel den Vertragsgegenstand – Ihr fachliches Leistungssoll – zu regeln. Es lohnt sich auch, dort Umgangsregeln für Fälle zu treffen, die im Bauablauf typischerweise für Ärger sorgen.

Verstehen Sie diesen Beitrag nicht als Plädoyer für sinnlos ausufernde und zu komplizierte Vertragswerke. Im Gegenteil: Es ist wichtig, dass Sie jeden Vertrag auf das konkrete Projekt – und sein preisliches und inhaltliches Volumen – anpassen.


Anpassung des Vertragsumfangs an Projektgröße sichert Vorteile

Vor allem bei "größeren" Projekten kann es absolut sinnvoll sein, bestimmte Situationen verbindlich zu regeln. Sie profitieren davon in mehrfacher Hinsicht: Sie erlangen wirtschaftliche Vorteile. Sie vermeiden Kräfte zehrende Auseinandersetzungen bis hin zu zeit- und kostenintensiven gerichtlichen Verfahren. Und sie minimieren persönliche Stresssituationen.

Bevor Sie vertragliche Vereinbarungen eingehen, sollten Sie deren Inhalte von einem Fachmann juristisch prüfen lassen. Insbesondere gilt es zu vermeiden, dass für Sie günstige Einzelregelungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind – und nach Überprüfung (§§ 305 ff. BGB) – als unwirksam eingestuft werden.


Wirtschaftlichkeit als häufiges Konfliktfeld

Regelungsbedarf besteht vor allem bei Themen, die die Wirtschaftlichkeit eines Projekts beeinflussen und die Nerven selbst projekterprobter Ingenieure und Architekten strapazieren können.

Dazu zählen zum Beispiel Fragen zur Teilnahme an Baubesprechungen und deren Durchführung, dem Umgang mit Baubesprechungsprotokollen sowie dem notwendigen Inhalt von Bautagebüchern oder Stundenzetteln.


Baubesprechungen und Protokolle juristisch bedeutsam

In der Praxis landen folgende Themen immer wieder auf der Tagesordnung des Projektmanagements:

  • die Verbindlichkeit der Teilnahme an einer Baubesprechung,
  • die Funktion der Teilnehmer,
  • die Formulierung des Baubesprechungsprotokolls,
  • die Zusendung des Protokolls innerhalb bestimmter Zeiträume und
  • die Frage, innerhalb welcher Frist auf welche Weise und mit welchem Inhalt Widerspruch gegen etwaige Unrichtigkeiten erhoben werden muss.
Dabei darf die erhebliche juristische Dimension solcher Baubesprechungsprotokolle nicht unberücksichtigt bleiben. Der BGH hat nämlich festgestellt, dass Protokolle, die Vertragsinhalte betreffen, wie ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben wirken können.


Urteil: Baubesprechungsprotokoll hat Auswirkung auf Ingenieurvertrag

Im konkreten Fall hatte der Auftragnehmer zeitnah zu einer Verhandlung das Protokoll erhalten, das terminliche Aspekte enthielt. Da er dem Protokoll nicht unverzüglich widersprach, konnte der Auftraggeber den Vertrag aufgrund Verzugs wirksam kündigen (BGH, Urteil vom 27.01.2011, Az. VI ZR 186/09, Abruf-Nr. 111090; PBP 4/2011, Seite 18).

Außerdem: Der Inhalt des Protokolls kann unabhängig von der Vollmacht des Gesprächsteilnehmers gelten. Die juristischen Auswirkungen einer Baubesprechung können also bisweilen dramatische Folgen annehmen, bis hin zu einem wirtschaftlichen Desaster für die Beteiligten.


Sämtliche Verträge mit Baubeteiligten auf verbindliche Angaben prüfen

Regeln Sie bereits im Rahmen der Vertragsgestaltung verbindlich und verständlich Punkte wie

  • die Häufigkeit,
  • den Ort,
  • den namentlich benannten Kreis der Teilnehmer (mit Vertretern für Urlaubs- oder Krankheitszeiten etc.),
  • den für die Erstellung des Protokolls Verantwortlichen (womit vermieden werden kann, dass zwei, drei oder noch mehr und voneinander abweichende Protokolle im Projekt "herumgeistern", was in der Praxis leider oft vorkommt),
  • die Frist zur Versendung des Protokolls,
  • die Frist für den Widerspruch gegen den Inhalt des Protokolls,
  • die einzuhaltende Form (genügt die Versendung per E-Mail? Ist Schriftform erforderlich? Versendung per Telefax? Wie wird der sehr wichtige Zugangsnachweis des Protokolls und des Widerspruchs geregelt?)
Dies kann helfen, vielfältige Unsicherheiten bei den Projektbeteiligten, Verzögerungen, streitige Diskussionen und letztlich Eskalationen wie Vertragskündigungen schon im Vorfeld (dem Vertragsschluss!) zu vermeiden.


Übergreifende Klausel trägt mittels Abstufungen zu Konfliktlösung bei

Übergeordnete Deeskalationsklauseln haben den Zweck, zu regeln, wie man mit Konflikten umgeht bzw. wie man versucht, Konflikte zu lösen. Eine Klausel sollte mehrere Stufen unter Angabe von Personen und Hierarchieebenen vorsehen.

So sollte ein Personenkreis bestimmt werden, der auf der ersten Stufe (z.B. "Arbeitsebene") versucht, den Konflikt zu lösen. Scheitert die erste Stufe, ist der nächste Personenkreis zu benennen (z.B. "Bau- bzw. Projektleiterebene"). Das kann – mit weiteren Abstufungen – immer weiter nach oben gehen, bis der Konflikt bei der Geschäftsführung angelangt ist.

Dieses abgestufte Verfahren hat mehrere positive Effekte. So werden zum einen Effektivität und Qualität des Projektmanagements am Erfolg der jeweiligen Stufe gemessen. Die jeweils nächste Stufe wird wenig "begeistert" sein, "schon wieder" mit einem Konflikt befasst zu werden. Der Klärungsdruck wird bei diesem System steigen.

Zum anderen bleibt ein Konflikt, bei entsprechendem Management der Beteiligten, im Hinblick auf den damit befassten Personenkreis begrenzt. Er breitet sich nicht unkontrolliert auf alle Ebenen des Projektes aus und erzeugt so keine negative Grundstimmung.


Konfliktmanagement auf drei Ebenen ratsam

Neben der Festlegung der Personen, die auf den jeweiligen Stufen verantwortlich sind, sollte auch der zeitliche Rahmen bestimmt werden, in dem die jeweilige Stufe versuchen muss den Konflikt zu lösen. Gelingt die Konfliktlösung nicht innerhalb eines zu definierenden Zeitraums, wäre die nächste Ebene gefordert.

Natürlich sollten nicht zu viele Ebenen festgelegt werden, um kontraproduktive Verzögerungen zu vermeiden. In der Praxis hat sich in vielen Fällen das Konfliktmanagement auf drei Ebenen bewährt.

Hilfreich kann es auch sein, die Kommunikationsform (z.B. E-Mail, schriftlich oder – am effektivsten – persönliche Besprechungen) zu bestimmen. Die Klausel sollte auch regeln, dass eine Konfliktlösung schriftlich und einvernehmlich zu dokumentieren und von den vertretungsberechtigten Personen rechtswirksam "abzusegnen" ist.


Fazit: Ausführlichen Ingenieurvertrag mit sonstigen Verträgen synchronisieren

Der Architekten- oder Ingenieurvertrag ist die Grundlage und das Fundament Ihrer Projekttätigkeit. Er ist auch das geeignete Instrument, um zu regeln, wie mit Konflikten umgegangen wird, die im Verlauf eines Projektes auftreten können.

Hervorragende Klauseln in Ihrem Architekten- oder Ingenieurvertrag nutzen Ihnen aber nichts, wenn sie in den Verträgen der ausführenden Unternehmen keine Entsprechung finden. Versuchen Sie Ihren Auftraggeber deshalb dazu zu bewegen, dass er die Vertragsverhältnisse aller am Projekt Beteiligten in dieser Hinsicht synchronisiert.



QUELLEN UND VERWEISE:

Planungsbüro professionell (PBP)