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VgV: Mindestsatz kann nachträglich durchgesetzt werden

Verfasst von: Dipl.-Ing. Klaus D. Siemon, Osterode/Harz
Veröffentlicht am: 18. Juni 2020
Kategorie:

# 26.06.2020

Planer erhält Recht gegenüber öffentlichem Auftraggeber. Staat darf nicht von mangelhafter Anpassung an EU-Recht profitieren. Schwache Verhandlungsposition kommt Auftragnehmer zugute

Mindestsatzunterschreitung laut Bundeserlass bei Vergabe zulässig

Spannendes Urteil: Der HOAI-Mindestsatz darf gegenüber öffentlichen Auftraggebern zunächst unterschritten und dann, im Falle eines Auftragserhalts, nachgefordert werden. Foto: Thorben Wengert / Pixelio
Spannendes Urteil: Der HOAI-Mindestsatz darf gegenüber öffentlichen Auftraggebern zunächst unterschritten und dann, im Falle eines Auftragserhalts, nachgefordert werden. Foto: Thorben Wengert / Pixelio

Nach dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat auch das Kammergericht (KG) Berlin dem Thema "Mindestsatzdurchsetzung nach dem EuGH-Urteil von 04.07.2019" neuen Schwung verliehen.

Das Gericht gab einem Planer Recht, der sich nach einer VgV-Vergabe (mit Mindestsatzunterschreitung) bei einem öffentlichen Auftraggeber im Projektverlauf in den Mindestsatz hineinklagen wollte.

Im konkreten Fall hatte das Planungsbüro den Auftrag unter anderem deshalb erhalten, weil sein Honorarangebot besonders günstig war, sprich unterhalb der Mindestsätze lag. Bis dahin entsprach alles den Vorschriften, denn nach dem maßgeblichen Erlass des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI) vom 04.07.2019 darf ein Bewerber bei einem VGV-Verfahren nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil er unterhalb der Mindestsätze anbietet.


Gericht: Mangelhafte Mindestsatzregelung ein Problem des Staates

Laut Urteil des KG Berlin muss dieser Umstand den Bewerber nach Erhalt des Auftrags nicht davon abhalten, den Mindestsatz einzuklagen. Das KG begründet seine (noch nicht rechtskräftige) Entscheidung sinngemäß wie folgt (KG Berlin, Urteil vom 12.05.2020, Az. 21 U 125/19):


Marktmacht des Staates rechtfertigt Mindestsatznachforderung

Es gibt einen Haken, der der Honorarnachforderung im Weg steht. Grundsätzlich verhält sich ein Planer, der einen Vertrag mit Mindestsatzunterschreitung bewusst unterschreibt und später dagegen vorgeht, widersprüchlich und somit treuwidrig. § 242 BGB regelt dazu:

  • Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.



QUELLEN UND VERWEISE:

Honorar: Wie man die Mindestsatzfrage in laufenden Verträgen klärt
HOAI-Klage: Was bei Vertragsabschlüssen derzeit zu beachten ist
HOAI: Mindestsatzanspruch womöglich vor dem Aus
Planungsbüro professionell (PBP)