Öffentliche Vergabe: Neue Qualifizierung und Listung von beratenden Ingenieuren
# 01.04.2021
Ingenieurkammern sehen Anwälte und Architekten als Dienstleister ungeeignet. Ungerechtfertigte Referenzanforderungen im Schulbau. Eigene Weiterbildungsmaßnahme soll Mitglieder in Markt einführen
- Eignungskriterien in Vergabeverfahren oft unpassend
- Kammern: Vergabe für Schulbauprojekte zu formalisiert
- Auftraggeber und Auftragnehmer kommen derzeit schlecht zusammen
- Marktvorteil durch öffentliche Liste der Vergabeberater
Eignungskriterien in Vergabeverfahren oft unpassend

Planer und Ingenieure erleben in der Praxis immer wieder öffentliche Vergabeverfahren, in denen unpassende Eignungskriterien gewählt werden. Die Ingenieurkammer-Bau NRW führt das auf eine fehlende Praxisnähe seitens der Auftraggeber zurück und will mit einer Fortbildung zum qualifizierten Vergabeberater gegensteuern.
Die Fortbildungsmaßnahme wird gemeinsam von den Ingenieurkammern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz unter Beteiligung der Fortbildungseinrichtungen Akademie der Ingenieure GmbH, der Gütestelle Honorar- und Vergaberecht sowie der Ingenieurakademie West gGmbH angeboten.
Ziel ist es, den teilnehmenden Ingenieurinnen und Ingenieuren die notwendigen Fachkenntnisse für praxisgerechte Vergabeverfahren im Interesse aller Beteiligten zu vermitteln.
Kammern: Vergabe für Schulbauprojekte zu formalisiert
Bislang wird die Begleitung von Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber als Dienstleistung häufig von Rechtsanwaltskanzleien oder reinen Architekturbüros erbracht. Nach Einschätzung der Ingenieurkammer-Bau NRW würden Rechtsanwälte Vergabeverfahren häufig zu formalisiert gestalten und unpassende Eignungs- oder Zuschlagskriterien wählen.
So komme es im Bereich der Tragwerksplanung regelmäßig zu Referenzanforderungen, die dem Gegenstand des Vergabeverfahrens nicht gerecht würden. Ein gängiges Praxisbeispiel sei die Forderung nach Erfahrung mit der Tragwerksplanung bei Schulgebäuden, obwohl die Tragwerksplanung hierfür keine Besonderheiten aufweist, die dies rechtfertigen würde.
Auftraggeber und Auftragnehmer kommen derzeit schlecht zusammen
Solche Erfahrungen führten laut Ingenieurkammer-Bau NRW zu Frust bei Auftragnehmern, die sich auf derartige Ausschreibungen zunehmend nicht mehr bewerben können oder wollen.
Umgekehrt suchen öffentliche Auftraggeber vergeblich nach geeigneten Bewerbern, obwohl diese für dringend benötige Projekte der kommunalen Infrastruktur bereitstehen. Mit der Fortbildung eines Teils ihrer Mitglieder zu qualifizierten Vergabeberatern wollen die drei Ingenieurkammern diese Lücke bei den Vergabeverfahren schließen.
"Die Vergabe öffentlicher Aufträge gewinnt für unsere Mitglieder auf Seiten der Auftraggeber wie Auftragnehmer immer weiter an Bedeutung", sagt Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW und der Bundesingenieurkammer. "Hier wollen und sollen Ingenieurinnen und Ingenieure Vergabeverfahren (mit-)gestalten, um praxisgerechte Bedingungen zu gewährleisten, die Grundlage einer zeitplangerechten Umsetzung sind."
Marktvorteil durch öffentliche Liste der Vergabeberater
Davina Übelacker, Geschäftsführerin der Ingenieurkammer Baden-Württemberg, sieht ebenfalls das wirtschaftliche Interesse der Ingenieure an Vergabeverfahren als guten Grund zur Unterstützung durch die Weiterbildungsinitiative. "Wer sich für die Vergabeberatung qualifiziert, wird von den Kammern in einer Liste geführt", so Übelacker. Sie sieht darin einen Marktvorteil.
Zudem profitierten die an Vergabeverfahren teilnehmenden Mitglieder von praxisgerechten Verfahren. Auf der anderen können Auftraggeber durch die öffentlich zugänglichen Listen der Ingenieurkammern qualifizierte Vergabeberater am Markt erkennen und deren Leistungen in Anspruch nehmen.
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