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Fraunhofer IBP zeigte Visionen für die Stadt von morgen

Verfasst von: Michael Braun
Veröffentlicht am: 16. Nov. 2011
Kategorie:

# 16.11.2011

Gebäude, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen und als dezentrale Kraftwerke die umliegende Infrastruktur oder Elektrofahrzeuge mit Strom versorgen. Bestandsbauten, die am Ende ihrer Nutzungsphase als Rohstoffquelle für die urbane Produktion fungieren. Menschen, die in assistierenden Umgebungen arbeiten anstatt in unflexiblen Zweckbauten. So sehen die Visionen für die "Morgenstadt" aus, die das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) auf der Kongressmesse UrbanTec in Köln im Oktober vorgestellt hat.

Bevölkerungswachstums

Das Modell Energieeffiziente Stadt zeigt, wie der Strom- und Wärmebedarf einer Siedlungsstruktur mit Hilfe innovativer Technologien durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann, Foto: Fraunhofer IBP
Das Modell Energieeffiziente Stadt zeigt, wie der Strom- und Wärmebedarf einer Siedlungsstruktur mit Hilfe innovativer Technologien durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann, Foto: Fraunhofer IBP

Im Hinblick auf die Anforderungen der urbanen Zukunft präsentierten die IBP-Wissenschaftler innovative Lösungen zu modernem Lärmschutz, zur intelligenten Energieversorgung in Ballungszentren sowie zur vorausschauenden Planung dank Softwaretool zur Ökobilanzierung und Material- und Stoffstromanalyse. Neben dem Klimawandel und Ressourcenverknappung zählen vor allem das Bevölkerungswachstum und die damit verbundene Urbanisierung zu den großen Herausforderungen. Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass bis zum Jahr 2050 etwa 6,3 Milliarden Menschen in Städten leben werden – das sind fast doppelt so viele wie heute. Dieser Entwicklung schon jetzt Rechnung zu tragen, haben sich zahlreiche Institute der Fraunhofer-Gesellschaft zur Aufgabe gemacht.

Morgenstadt
Auch das Fraunhofer IBP arbeitet als Kerninstitut für den Forschungsbereich "Planen, Bauen, Gebäude" im Rahmen des Zukunftsprojekts "Morgenstadt" der Bundesregierung und der Fraunhofer-Gesellschaft an innovativen und nachhaltigen Lösungen, die das Leben in (zukünftigen) Ballungszentren und Großstädten für Mensch und Umwelt optimal gestalten sollen. "Nicht die Vision einer besseren Zukunft treibt unsere Forschung an, sondern ihre Realisierung. Hierzu forschen wir am Fraunhofer IBP an vielen unterschiedlichen Fragestellungen. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Mensch", sagt Prof. Dr. Klaus Sedlbauer, Leiter des Fraunhofer IBP.


Virtuelle akustische Realität

Über Generationen hat sich die Mobilität in Städten so sehr verdichtet, dass Lärmminderung eine komplexe Herausforderung geworden ist. Die Bedürfnisse nach Ruhe und Mobilität erfordern eine ganzheitliche, ausgewogene Balance bei der Planung und Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen. Ein Problem lösen kann die so genannte Auralisation: Software-Module berechnen eine Art virtuelle akustische Realität und verknüpfen diese gleichzeitig mit visuellen Darstellungsmöglichkeiten. Ein akustisches Modell der jeweiligen urbanen Gesamtsituation sowie ein validierter Fundus von Lärmschutzmaßnahmen lassen sich am Computer auf vielfältige Weise kombinieren und hörbar darbieten. Mit Hilfe dieser Technologie können Kommunen und Stadtentwickler, Immobilienunternehmen und Investoren in den geplanten urbanen Lebensraum hineinhören sowie seine akustische Qualität bewerten und optimieren.


Schallschutz

Nicht jede Art von Lärm ist von Dauer. Baustellen oder Open-Air-Veranstaltungen sind im Vergleich zu Verkehr temporäre Lärmquellen, vor denen Menschen dennoch effektiv geschützt werden müssen. Unkompliziert und flexibel erfolgt dies dank mobiler Schallschutzwände aus Kunststoff. Die Lösung besteht in zweischaligen, aufblasbaren Elementen, die bei den typischen Dimensionen von Schallschutzbarrieren eine fast mit Betonwänden vergleichbare Wirkung erreichen. Mit den vom Fraunhofer IBP entwickelten Rechenverfahren lässt sich diese Wirkung bestätigen und planen. Zudem hat der Praxistest gleichermaßen das Lärmschutz- sowie das Mobilitätspotential gezeigt.


Energiesystem Stadt

Städte und Kommunen sind Dreh- und Angelpunkt für viele der notwendigen Energieeffizienzverbesserungen, um eine wirtschaftliche, umwelt- und sozialverträgliche nachhaltige Energieversorgung zu erreichen. Unter dem Schlagwort "Energiesystem Stadt" präsentierten die Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP und für Wind- und Energiesystemtechnik (IWES) ihre Kompetenzen im Bereich einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung im Energiebereich. Das auf der Messe gezeigte "Energiesystem Stadt" bietet erhebliche Möglichkeiten zur Reduzierung des Energiebedarfs, zur Nutzung regenerativer Ressourcen und zur Umsetzung eines intelligenten Klimaschutzes. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der kommunalen Energieversorgung auf allen Ebenen – vom Gebäude bis hin zur Region.

Es werden alle Komponenten des Energiesystems untersucht: Erneuerbare Energieversorgung, Energieeffizienz und intelligente Stromnetze. Analysetools zur Heizenergieeinsparung, zur Ermittlung der Potenziale erneuerbarer Wärmeversorgung und des intelligenten Energiemanagements zielen darauf ab, Regionen, Landkreise und Gemeinden dabei zu unterstützen, ihre Energieversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Neben verschiedenen erneuerbaren Energieproduzenten, wie beispielsweise Photovoltaik, Windkraft oder Biomasse, entwickeln die Fraunhofer-Wissenschaftler zudem Steuer- und Regelungsstrategien konsequent weiter. Das Modell "Energiesystem Stadt" dient als Basis für neue Ideen und Wege und soll Initiator für Gespräche und Austausch sein.


Ökobilanzierung

Das Fraunhofer IBP zeigte außerdem, wie die Städte der Zukunft von Methoden und Analyseverfahren der Ganzheitlichen Bilanzierung profitieren können. Zentrales Element dabei ist eine weitreichende Material- und Prozessdatenbank im Bereich Ökobilanz und Material- und Stoffstromanalyse, die bereits heute gemeinsam mit dem Software-Tool "GaBi 5" weltweit in vielen Unternehmen und Forschungsinstituten verwendet wird. Erstellt wurde die Software mit der PE International AG auf der Basis langjähriger Erfahrungen und zahlreicher Projekte.

"GaBi 5" verwendet unter anderem Instrumente und Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Bauprodukten, -systemen und Bauwerken sowie verknüpfter industrieller Prozesse und ermöglicht somit die ökologische, ökonomische und soziale Dimension der Nachhaltigkeit aus Lebenszyklussicht zu bewerten. Anwenden lässt sich die Analysesoftware aber auch zur Ökobilanzierung in den Bereichen Energieerzeugung, -bereitstellung und -speicherung sowie bei der Betrachtung heutiger und zukünftiger Mobilitätskonzepte oder bei Vorprodukten, Werkstoffen sowie Werkstoff- und Produktsystemen – von der Herstellung über die Nutzung bis zur Verwertung oder Entsorgung am Lebensende. Umfangreich und konsistent aufgebaut ermöglicht die Software eine fundierte und effiziente Entscheidungsunterstützung für die Industrie, Forschung und die öffentliche Hand.