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Solegefrieren von Schächten - Teil 1

Verfasst von: Joachim Klein, DMT GmbH & Co. KG, Essen
Veröffentlicht am: 16. Feb. 2009
Kategorie:

# 16.02.2009

Die Beitragsreihe in 3 Teilen behandelt vornehmlich Schächte mit großem Durchmesser, wie sie überwiegend im Bergbau vorkommen. Im Beitrag werden Faustformeln - auf Erfahrung und Statistik basierend - zusammengestellt, die zumindest für die Vorbemessung von zukünftigen Gefrierschächten hilfreich sind. Die Zahlenangaben spiegeln arithmetische Mittelwerte ausgeführter Projekte wieder (in Klammern ist die jeweilige Streubreite angegeben). Die Beiträge sind in Form von FAQs (frequently asked questions) strukturiert.

Was heißt Solegefrieren von Schächten?

Bild 1: Verwendete Parameter der Geometrie, Abb.: Joachim Klein
Bild 1: Verwendete Parameter der Geometrie, Abb.: Joachim Klein

Seit mehr als 100 Jahren wird in nicht-standfestem Wasser führendem Deckgebirge das Gefrierverfahren (Bild 1+2) zum sogenannten Schachtabteufen eingesetzt. Heutzutage ist das Gefrierverfahren nicht nur eine im Bergbau angewandte Technologie, sondern auch in anderen Ingenieursparten, wie dem Tunnelbau bzw. bei tiefen Baugruben ein erfolgreich praktiziertes Bauverfahren. Der mechanische und ökologische Vorteil eine temporär wasserdichte Konstruktion durch das Gefrieren des Bodens zu erzielen, gilt als sichere Methode bei Baumaßnahmen unterhalb des Wasserspiegels.

Theoretischer Hintergrund des Gefrierverfahrens?
Beim Gefrierverfahren sind die Phänomene der mechanischen Festigkeit und der thermophysikalischen Eigenschaften des Bodens zu beachten. Das nicht-lineare Material- und das instationäre Temperaturverhalten können heutzutage recht genau durch Computersimulation mit multiphysics Programmen erfasst werden. Trotz alledem ist eine vorangehende analytische Überschlagrechnung - nicht nur zur Kontrolle der Computerergebnisse - stets von Interesse.


Welche Literatur für die Berechnung?

Bild 2: Schachtgerüst für das Abteufen, Foto: Joachim Klein
Bild 2: Schachtgerüst für das Abteufen, Foto: Joachim Klein

Frederick J. Sanger, Francis H. Sayles (1978): Thermal and rheological computations for artificially frozen ground construction. Corps of Engineers, U.S. Army, Cold Regions Research and Engineering Laboratory, Hanover, New Hampshire, USA (prepared for ‘1. International Symposium On Ground Freezing’ in Bochum 8-10 March 1978, Ruhr-University, Bochum, Germany and published in Volume 2, pp. 95-117.) und das Handbuch des Gefrierschachtbaus im Bergbau. Glückauf Betriebsbücher 31, Verlag Glückauf GmbH, Essen.

Wie kommt der Frost in den Boden?
Das Gefrieren selbst kann bei kleineren Einsätzen entweder durch Verdampfung von flüssigem Stickstoff (= LN2) geschehen, aber im Schachtbau werden überwiegend doppel-konzentrische Rohre eingesetzt, durch die eine tiefgekühlte Sole (=wässrige Salzlösung) gepumpt wird. Dieses Solegefrieren kommt einsatzmäßig mehr als 10-mal so oft vor, wie der Einsatz von flüssigem Stickstoff, deshalb betont dieser Bericht auch das Solegefrieren. Ein Innenrohr aus Kunststoff, was unten offen ist, befindet sich beim Solegefrieren in einem geschlossenen Stahlrohr mit größerem Durchmesser. Die in der Regel durch das Innerohr hineingepumpte Sole steigt im äußeren Ringraum des unten geschlossenen Stahlrohrs zurück zum Kälteaggregat und entzieht somit dem Boden ständig Wärme. Im Grundriss sind viele vertikal angeordnete Gefrierrohre auf einem sogenannten Gefrierkreis D gleichmäßig verteilt und erzeugen in Funktion der Zeit einen dickwandigen Zylinder aus gefrorenem Boden.


Mit welchen Temperaturen wird gearbeitet?

Bild 3: Blick in einen Gefrierschacht, Foto: Joachim Klein
Bild 3: Blick in einen Gefrierschacht, Foto: Joachim Klein

Während flüssiger Stickstoff (LN2) mit -196 °C verdampft, erreicht die Gefriersole allenfalls ein Viertel dieses Wertes. Normalerweise kommt eine Magnesiumchloridsole zum Einsatz. Für tiefere Temperaturen wird eine Kalziumchloridsole eingesetzt. Der kryogene Punkt von CaCl2 liegt bei -55 °C, während für MgCl2 -34 °C dokumentiert wird. Denkbar wäre auch der Einsatz von Kerosin als Kälteträger, aber seine Entflammbarkeit spricht dagegen.

Flüssiger Stickstoff oder Sole?
Natürlich ist flüssiger Stickstoff etwa 7 mal schneller als das Solegefrieren, aber allein aus Kostengründen ist sein Einsatz meist auf Kubaturen von kleiner als 1.000 m³ begrenzt. Stickstoff kommt immer dann zum Einsatz, wenn z. B. strömende Wässer (> 2 m/d) zu beherrschen sind. Gefrorene Zylinder mit dem Solegefrieren - die nachstehend ausschließlich behandelt werden - sind mit sehr großen Volumina bis zu mehreren 100.000 m³ bekannt, zu deren Herstellung die Kühlaggregate bisweilen auch mehrere Jahre laufen müssen.


Welche Kälteaggregate?

Bild 4: Typisches Kälteaggregat, Foto: Joachim Klein
Bild 4: Typisches Kälteaggregat, Foto: Joachim Klein

In Abhängigkeit von der Projektgröße werden kleine mobile oder große stationäre Kälteaggregate (Bild 4) bis zu 500 kW ausgewählt. Freon22, Propan, R-Kältemittel oder Ammoniak (NH3) kamen oder kommen im geschlossen Kühlmittelkreislauf des Aggregats selber zum Einsatz. Die gesamte Maschinenkapazität reicht je nach Objektgröße bis zu 4 MW. Gefrierleistungen von 32 W/m³ (± 20 W/m³) wurden eingesetzt, mit einem Verlustfaktor bis zu 1,5. Dies entspricht einer mittleren Gefrierrohrleistung von 160 W/m (± 20 W/m).

Welches statische System?
Ein Gefrierschacht ist baustatisch ein dickwandiges zylindrisches System (Bild 1) mit einem Innenradius a und einem Außenradius b, so dass die gefrorene Wanddicke mit d = b - a beschrieben ist. Der mit dem Solegefrieren erzeugte dickwandige Zylinder aus gefrorenem Boden wird an seiner äußeren dichten Peripherie in Abhängigkeit von der Tiefe mit dem horizontalen Druck p = pw + pe belastet, der aus Anteilen von Wasser- und Erddruck besteht. Hierbei ist 2a der Ausbruchdurchmesser und noch nicht der spätere lichte Schachtdurchmesser, denn dieser wird durch den meist wasserdichten Schachtausbau noch kleiner ausfallen.

Wie sich die erforderliche Wanddicke d überschlägig ermitteln lässt und wie viel Zeit man für die Herstellung benötigt, behandeln die Teile 2 und 3.


Dr.-Ing. Joachim Klein

hat weitreichende Erfahrungen, wenn es um Gefrierschächte in Deutschland in den letzten 30 Jahre geht. Mehr als 100 Veröffentlichungen zum Gefrierschachtbau, zur Schachtausbaudimensionierung und anderen Themen des Ingenieurbaus hat Klein publiziert. (cw)