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Erhöhung der Bruchlast von Platten durch textile Verstärkung - Teil 2/2

Verfasst von: Manfred Curbach, Jürgen Stritzke, Anna Martius
Veröffentlicht am: 1. Okt. 2002
Kategorie:

# 07.10.2002

Erhöhung der Bruchlast von Platten durch textile Verstärkung – Ergebnisse erster Experimente - Teil 2 - Versuchsserie P-1 bis P-5, Ergebnisse, Auswertung und Ausblick

Versuchsserien P-1 bis P-5: Untergrundbehandlung und Beschichtung

Abb. 3 - Anordnung der Dehnmeßstreifen und der induktiven Wegaufnehmer
Abb. 3 - Anordnung der Dehnmeßstreifen und der induktiven Wegaufnehmer

Es wurden 5 Serien zu je 3 Platten mit einem Beton B 25 analog zu denen der Vorversuche hergestellt und sandgestrahlt (Tabelle 1).

Der E-Modul des Betons wurde an Zylindern geprüft und lag nach 28 Tagen zwischen 26.000 und 29.600 N/mm². Die Biegezugfestigkeit, an Prismen geprüft, lag zwischen 2,1 und 3,0 N/mm².

Die 4 zu verstärkenden Serien wurden mit einem biaxialen Textil von 1100 tex längs, Maschenweite 7,26 mm und 310 tex quer, Maschenweite 14,51 mm beschichtet.


Kriterien für die Verstärkung

Abb. 4 - Risse an der Seitenfläche einer verstärkten Platte
Abb. 4 - Risse an der Seitenfläche einer verstärkten Platte

[1] Sie mußte für den Biegemomentenzuwachs infolge erhöhter Verkehrslast aus Umnutzung wirksam werden.

[2] Die eingebrachte textile Bewehrung lag deutlich über der Mindestbewehrung, d. h. die Zugkraft bei Rißbildung im Beton konnte aufgenommen werden.

[3] Für die Serien 1 und 2 war die gleiche Menge an Textilbewehrung vorgesehen (3 Lagen). Dabei sollte die Verstärkung bei einer Serie über das Auflager durchgehen, bei der anderen Serie vor dem Auflager ohne zusätzliche Maßnahmen zur Verankerung enden (Tabelle 1).

[4] Die Serien 3 und 4 wurden mit einer höheren Anzahl an Lagen verstärkt (5 Lagen). Damit konnte der Einfluß einer höheren Lagenanzahl auf die Tragfähigkeit im Verhältnis der Anzahl der aufgebrachten Lagen festgestellt werden. Wie bei den Serien zuvor wurde auch hier einmal das Textil ins Auflager geführt und endete das andere Mal vor dem Auflager (Tabelle 1).

Als Ergebnis der in den Vorversuchen durchgeführten Tests hinsichtlich der Beschichtungstechnologie wurde ohne Schalung, d. h. nach dem ersten Verfahren beschichtet.


Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung

Abb. 5 - Risse an der Unterseite einer verstärkten Platte
Abb. 5 - Risse an der Unterseite einer verstärkten Platte

Die Platten wurden anlog zu den Vorversuchen in die Prüfmaschine eingebaut. Es kamen nun sieben Dehnmeßstreifen und zehn induktive Wegaufnehmer auf der Plattenoberseite (Stauchung und Durchbiegungsmessung), sowie 11 induktive Wegaufnehmer mit einem Meßbereich von +/-1 mm zur Dehnungsmessung an der Plattenunterseite zum Einsatz (Abb. 3).

Die Platten wurden weggesteuert mit einer Belastungsgeschwindigkeit von 0,1 mm/s bis 25 %, 50 %, 65 %, 85 % und 100 % der rechnerischen Bruchlast belastet, und nach einer konstanten Belastung von 2 min Dauer wieder entlastet. Die Haltezeit war dazu bestimmt, um an den Seitenflächen der Platten eine Rißaufnahme zu ermöglichen. Dafür waren die Seitenflächen der Platten vor Versuchsbeginn gekalkt worden (Abb. 4).

Zu jeder Platte wurde ein Rißprotokoll angefertigt. Die Plattenunterseiten wurden mit einer dünnen farblosen Lackschicht versehen, um nach dem beendeten Versuch und Ausbau der Platten auch an der Unterseite eine Rißaufnahme zu ermöglichen. Dazu wurde die Platte befeuchtet und die Risse durch die Lackbeschichtung sehr gut sichtbar gemacht (Abb. 5). Die Risse in der Verstärkungsschicht waren so fein, daß sie mit der üblichen Kalkung nicht sichtbar gemacht werden konnten.


Ergebnisse der Serienversuche

Tabelle 1 - Ergebnisse der Serienversuche
Tabelle 1 - Ergebnisse der Serienversuche

Durch die textile Verstärkung konnte eine Traglaststeigerung gegenüber den unverstärkten Platten erreicht werden. Die unverstärkten Platten wiesen im Bereich zwischen den Lasteinleitungsstellen konstante Rißabstände und einen gleichmäßigen Risseverlauf mit einer von Laststufe zu Laststufe relativ gleichmäßig zunehmenden Rißweite auf.

Die ersten Risse wurden in der 2. Laststufe sichtbar. Der mittlere Rißabstand an der Unterseite betrug 6 cm. Beim Erreichen der Maximallast hatten sich die unverstärkten Platten im Durchschnitt bereits 47 mm durchgebogen.

Bei den verstärkten Platten trat der erste sichtbare Riß erst in der 3. Laststufe auf. Die Rissweiten waren kleiner als bei den unverstärkten Platten. Sie lagen während des gesamten Lastprogramms unter 0,1 mm. Erst kurz vor Erreichen der Maximallast vergrößerte sich einer der Risse, der sich dann zum Bruchquerschnitt entwickelte. Die beiden benachbarten Risse wurden geringfügig größer. Der mittlere Rißabstand betrug bei den mit 3 Lagen verstärkten Plattenzwischen 5 und 7 cm und bei den mit 5 Lagenverstärkten Platten zwischen 4 und 6 cm. Die Durchbiegungen bei Maximallast betrugen im Schnitt lediglich 19 mm bei den 3-lagig verstärkten Platten und durchschnittlich 13 mm bei den 5-lagig verstärkten Platten (Tabelle 1).

Das vor den Auflagern unverankert endende Textil löste sich an keiner Stelle vom Altbeton ab. Es gab keine Unterschiede zwischen den aufnehmbaren Lasten von Platten mit textiler Bewehrung, die durch das Auflager hindurchführte und Platten, deren Bewehrung vor dem Auflager endete. Es wird davon ausgegangen, daß auch für weitere Versuche zur Erhöhung der Biegetragfähigkeit auf gesonderte Maßnahmen zur Verankerung der Bewehrung vor dem Auflager verzichtet werden kann. Weitere Untersuchungen zu dieser Problematik werden vom Teilprojekt C2 durchgeführt.


Bemessung der Bruchlast für eine mit Textilbeton verstärkte Platte

Abb. 6 - Typische Kraft-Verformungs-Kurven unverstärkter und verstärkter Platten
Abb. 6 - Typische Kraft-Verformungs-Kurven unverstärkter und verstärkter Platten

In dem entwickelten Bemessungsverfahren kann man die Bruchlast für eine mit Textilbeton verstärkte Platte berechnen. Dabei wird von einer linearen Dehnungsverteilung ausgegangen und davon, daß die Bruchdehnung des Textils deutlich höher als die Fließgrenze des Stahles liegt. Eingangswerte sind die Werkstoffkenngrößen. Die Betonstauchung und die Stahldehnung werden so iteriert, daß eine der Grenzdehnungen von Stahl oder Beton erreicht wird.

In Abhängigkeit von den Dehnungen/Stauchungen im Stahl/Beton wird während der Iteration die zugehörige Textildehnung berechnet. Ist das Gleichgewichtskriterium erfüllt, wird die zugehörige Bruchlast für den 4-Punkt-Biegeversuch errechnet. Um die Unsicherheiten im Modell so gering wie möglich zu halten, wurde nicht mit den Baustoffkennwerten nach Norm, sondern mit den tatsächlich vorhandenen Baustoffkennwerten gerechnet.

Als Zuarbeit dafür wurden (neben der Betonregelprüfung) die Ergebnisse von im Teilprojekt B1 durchgeführten einaxialen Zugversuchen verwendet. Sie wiesen eine auf den Querschnitt des 1100tex-Rovings im Textil bezogene Bruchspannung von 615 N/mm² und eine Bruchdehnung von etwa 6 o/oo auf.


Auswertung

  1. Das entwickelte Bemessungsmodell läßt mit Hilfe der im Zugversuch ermittelten Festigkeiten Aussagen über die Bruchlasten von verstärkten Stahlbetonplatten mit Abweichungen von 1 % bis 4 % zu.
  2. Der steilere Anstieg der Kurven im Kraft-Verformungs-Diagramm bis zum Erreichen der Maximallast zeigt die deutliche Mitwirkung des Textils beim Lastabtrag und die Steifigkeitserhöhung der Platte (Abb. 6). Nach Erreichen der maximalen Last kommt es durch das Versagen des Textils zu einem plötzlichen Lastabfall. Die Eigenschaften im Gebrauchsbereich, also Verformung und Risseverteilung verbessern sich mit einer textilen Verstärkung deutlich. Im Gebrauchslastniveau wird gegenüber einer unbeschichteten Platte eine Verformungsreduzierung von ca. 30 % (3 Lagen) bzw. sogar um ca. 45 % (5 Lagen) erreicht (Abb. 6).


Ausblick

Um zu überprüfen, ob durch ein Bewehrungsverhältnis von weniger Stahl zu mehr Textil eine noch günstigere Verstärkungswirkung erreicht werden kann, werden noch weitere Plattenversuche durchgeführt. Mit der Herstellung von Stahlbetonbalken und deren Verstärkung soll parallel dazu begonnen werden. Zuerst werden die Balken getrennt für eine erhöhte Momententragfähigkeit und für eineerhöhte Querkrafttragfähigkeit verstärkt und im nächsten Schritt kombiniert.

Bis dahin sollen Ergebnisse bezüglich Haftbrücken, tatsächlicher Zugfestigkeiten von Textilien mit verläßlich gleichbleibender Qualität, sowie Erfahrungswerte aus der Plattenverstärkung in die Planung und Versuchsdurchführung einfließen. Nach Abschluß der Balkenversuche sollen Plattenbalken auf Biegung und Querkraft verstärkt werden und dabei die Erfahrungen aus den Ergebnissen von Platten- und Balkenverstärkungen einfließen.


Danksagung

Das Teilprojekt D1 wird innerhalb des Sonderforschungsbereiches SFB 528 "Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung" von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert, wofür hiermit herzlich Dank gesagt wird.


Literatur

Schubert, Steffi: Untersuchungen zur Wirkung einer nachträglich aufgebrachten textilen Verstärkung auf das Trag- und Verformungsverhalten vorgeschädigter Stahlbetonplatten. Großer Beleg an der Technischen Universität Dresden, 1999.



QUELLEN UND VERWEISE:

Erhöhung der Bruchlast von Platten durch textile Verstärkung - Teil 1/2