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Nachgefragt bei: Christian Kulas

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 20. Juli 2016

# 27.07.2016

Dr.-Ing. Christian Kulas von der solidian GmbH - Jeder Bauingenieur tickt in seiner beruflichen Praxis anders. Arbeitsabläufe und Planungen gestalten sich, je nachdem, worauf der Einzelne Wert legt, unterschiedlich. Um den individuellen Eigenschaften erfolgreicher Ingenieure auf die Spur zu kommen und ihre Tipps und Hinweise für den Beruf für alle nutzbar zu machen, heißt es bei bauingenieur24 einmal im Monat "Nachgefragt bei ...". Bauingenieure und Experten ihres Faches liefern dabei im Interview aufschlussreiche Antworten zu unseren Fragen.

Dr.-Ing. Christian Kulas ...

Dr.-Ing. Christian Kulas ist Abteilungsleiter des Fachbereichs Textilbeton der solidian GmbH aus Albstadt in Baden-Württemberg. Foto: solidian
Dr.-Ing. Christian Kulas ist Abteilungsleiter des Fachbereichs Textilbeton der solidian GmbH aus Albstadt in Baden-Württemberg. Foto: solidian

...leitet die Abteilung Textilbeton innerhalb der solidian GmbH im baden-württembergischen Albstadt.

Das Unternehmen mit circa 170 Mitarbeitern bietet textile Bewehrungen aus Carbon-, Glas- oder Basaltfasern als Alternative zu Stahlbewehrungen für den Betonbau an. Zusammen mit den Kunden, wozu vorwiegend Fertigteilwerke und Instandsetzungsunternehmen zählen, werden Produkte und Bauteile entwickelt und auch gefertigt.

Kulas berät mit seinem Team Kunden, erstellt statische Berechnungen für Textilbetonbauteile und bewertet deren Machbarkeit. Darüber hinaus zählt die Umsetzung und der Vertrieb von Projekten zu seinem Aufgabenspektrum.


Herr Kulas, was fordert Sie aktuell besonders in Ihrem Job?

Der Schwerpunkt meiner Tätigkeiten liegt neben den ingenieurtechnischen Themen in der Vermarktung von Textilbeton. Wir organisieren beispielsweise gerade eine Session im Rahmen der Veranstaltung "Advanced Building Skins" in Bern im Oktober. Dort wird es eine eigene Textilbetonsession geben. Zudem fangen demnächst die Vorbereitungen für unseren Messeauftritt bei der BAU 2017 in München an.

Planerisch sind wir aktuell dabei, das Bauvorhaben Eastsite XI in Mannheim zu realisieren. Mit dem hier aktiven Projektteam wurde bereits beim Bauvorhaben Eastsite VIII erstmals eine von uns entwickelte Sandwichwand aus Textilbeton großflächig angewendet. Die Herausforderung lag darin, dass die vom Bauherrn vorgegebene Bauzeit durch die neue Bauweise nicht verzögert werden durfte. Der Bauherr hat schließlich durch die dünne Textilbetonbauweise circa 30 Quadratmeter zusätzlich vermietbare Wohnfläche erhalten.

Es macht sehr viel Spaß, zu sehen, dass mit Carbon- und Glasfaserbewehrungen gebaut wird – und dies mittlerweile weit über den "Pilotprojektstatus" hinaus. Als Student war mir nicht bewusst, wie vielseitig ein Bauingenieurleben sein kann. Ich kann jedem jungen Menschen nur empfehlen, sich auch den Beruf des Bauingenieurs mal etwas genauer anzuschauen und durch Praktika einen Eindruck zu bekommen.


Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum?

Ich bin seit 2008 in der Branche tätig und mache seitdem nichts anderes als "Textilbetonbau". Von Anfang an hat mich dieses innovative Thema im Bauwesen interessiert – und das hat bis heute nicht nachgelassen. Besonders die dünnwandige Bauweise und die ressourcenschonende Verwendung des Baustoffes faszinieren mich.

Ich bin davon überzeugt, dass diese Bauweise den Betonbau revolutionieren wird bzw. dass wir schon mitten drin sind. Ich erlebe von Tag zu Tag enorme Entwicklungsschritte. Das reizt mich an meinem Beruf jeden Tag aufs Neue.


Ihre Leidenschaft für den Beruf ist also eng an Ihr Fachgebiet geknüpft. Welche Schritte sind hier bereits gemacht worden?

Wir Textilbetonbauer haben in den letzten Jahren sehr viel erreicht. In Aachen und in Dresden wurden die Grundlagen gelegt. Seit einiger Zeit findet der Sprung in die Industrie statt.

Das ist meiner Meinung nach das beste Ergebnis, was Grundlagenforschungsprojekte vorweisen können, nämlich, dass auf dieser Basis gebaut wird und dass Industrieunternehmen wie die solidian GmbH zusammen mit anderen Partnern aus Bildung und Wirtschaft die Bauweise voranbringen.


Welche Wege geht Ihr Unternehmen in punkto Personalgewinnung?

Wir gehen immer mehr auf junge Leute zu und versuchen sie bereits in der Ausbildung oder im Studium für den Baustoff Textilbeton zu begeistern. Wir bieten dazu Praktika sowie Themen für Master- und Bachelorarbeiten an, in der Hoffnung, dass dadurch qualifizierte Mitarbeiter für unser Unternehmen heranwachsen.

Langfristig kann meiner Meinung nach der Nachwuchs in der Branche dann gesichert werden, wenn auch hier wie in anderen Wirtschaftszweigen Zeit, Platz und Geld für neue Ideen und Innovationen ermöglicht werden.


Auf wen hören Sie beruflich?

Ich bin in der glücklichen Situation, bei solidian Teil eines tollen Teams zu sein, auf dessen Kompetenz ich mich stets verlassen kann – vom Facharbeiter bis zur Geschäftsführung. Zudem habe ich über die Jahre hinweg viel Erfahrung beim Bauen mit Textilbeton sammeln können, was eine gute Grundlage für Entscheidungen ist.


In welche (Informations-)Technik investiert Ihr Unternehmen?

Für uns sind Berechnungs- und Statikprogramme wichtig. Hinzu kommt die Software für ein solides Projektmanagement.


Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Die Textilbetonbrücke in Albstadt-Ebingen kommt komplett ohne Stahl aus und ist dadurch laut Hersteller nachhaltiger und weniger wartungsintensiv. Foto: solidian
Die Textilbetonbrücke in Albstadt-Ebingen kommt komplett ohne Stahl aus und ist dadurch laut Hersteller nachhaltiger und weniger wartungsintensiv. Foto: solidian

Im Bauwesen sollte dem Thema Nachhaltigkeit mehr Bedeutung zukommen. Allerdings nicht im Sinne von Subventionen, sondern in Form von Lebenszyklusbetrachtungen, denn hierbei werden nicht nur Erstellungskosten betrachtet, sondern auch die Kosten über die gesamte Lebensdauer inklusive dem Recycling. Besonders bei kommunalen Bauten, wie zum Beispiel Brücken, ist dies sinnvoll. Carbonbeton kann hier als nachhaltiger Baustoff einiges leisten.

Am Beispiel einer Fußgängerbrücke kann ich das verdeutlichen: Eine Carbonbetonbrücke und eine Stahlbetonbrücke sind annähernd kostengleich. Allerdings wird bei der Carbonbetonbrücke ca. 50 Prozent weniger Beton und somit ressourcenintensives Material verbraucht. Zudem ist die Carbonbetonbrücke wartungsarm, da keine Oberflächenschutzsysteme aufgebracht werden müssen.

Dies haben wir an der 2015 fertiggestellten Textilbetonbrücke in Albstadt-Ebingen (siehe Bild) gezeigt, bei welcher Korrosion und die damit verbundenen Betonabplatzungen definitiv ausgeschlossen werden können. Über die Lebensdauer betrachtet ist die Carbonbetonbrücke somit günstiger als eine aus Stahlbeton oder aus anderen wartungsintensiven Vergleichsbaustoffen.


Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?

Mein Berufsalltag bringt es mit sich, dass ich mich neben dem ingenieurtechnischen Bereich auch in den Bereichen Betriebswirtschaft und Marketing weiterbilde. Beides sind für mich wichtige berufliche Disziplinen, die für einen Bauingenieur größtenteils neu sind.


Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?

Meine beiden zwei und sechs Jahre alten Kinder halten mich zu Hause auf Trab. Sie interessieren sich (noch) nicht für Textilbeton, was einen sehr guten Ausgleich zum Beruf möglich macht. Da wir gerade unser Haus renovieren, bleibt für Sport wenig Zeit. Wenn das einmal geschafft ist, freue ich mich wieder auf Rennradfahren und Badminton.



QUELLEN UND VERWEISE:

Carbonbeton-Forschung: Ergebnisse auf Konferenz vorgestellt