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Nachgefragt bei: Rolf Jung

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 24. Sep. 2014

Rolf Jung von der Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG - Jeder Bauingenieur tickt in seiner beruflichen Praxis anders. Arbeitsabläufe und Planungen gestalten sich, je nachdem, worauf der Einzelne Wert legt, unterschiedlich. Um den individuellen Eigenschaften erfolgreicher Ingenieure auf die Spur zu kommen und ihre Tipps und Hinweise für den Beruf für alle nutzbar zu machen, heißt es bei bauingenieur24 einmal im Monat Nachgefragt bei ...

Dipl.-Ing. Rolf Jung...

Dipl.-Ing. Rolf Jung ist einer von vier Vorständen des renommierten Ingenieurbüros Leonhardt, Andrä und Partner. Foto: LAP

Dipl.-Ing. Rolf Jung ist einer von vier Vorständen des renommierten Ingenieurbüros Leonhardt, Andrä und Partner. Foto: LAP

 

...ist Vorstand der Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG mit Hauptsitz in Stuttgart. Das Ingenieurbüro erbringt sowohl lokal als auch weltweit Spezialleistungen im Bereich der Tragwerks- und Objektplanung, wobei unter anderem Projekte im Ingenieur- und Brückenbau realisiert werden. Zudem gehören Sanierungen und Instandsetzungen sowie Standsicherheitsermittlungen am Bestand zum Leistungsspektrum. Mit Rolf Jung sprach bauingenieur24-Redakteur Fabian Hesse.

 

 

Herr Jung, was fordert Sie gerade besonders in Ihrem Job?

 

Wir nutzen in unserem Unternehmen seit gut zehn Jahren das Building Information Modeling (BIM) und sind von dessen Vorteilen entsprechend überzeugt. Aus diesem Grund haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit dem VDI diese Arbeitsmethode Bauherren und Architekten näher zu bringen. Als Mitglied eines Koordinierungskreises BIM beim VDI präsentiere ich selbst interessierten Baubeteiligten relevante Projekte, um daran die Anwendung der durchweg digitalisierten Planung zu demonstrieren.

Zu den aktuellen Bauprojekten, mit denen ich derzeit direkt zu tun habe, zählt die neue Saale-Elstertal-Brücke. Sie ist mit gut neun Kilometern das längste Brückenbauwerk Deutschlands und gehört zur neuen ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Erfurt und Halle/Leipzig. Nach fast neun Jahren Planung und Bauzeit findet derzeit die Inbetriebnahme statt. Die Tests verlaufen sehr gut, die Messwerte stimmen mit unseren vorherigen Berechnungen überein, was bei einem derart komplexen und großen Bauwerk nicht selbstverständlich ist. Ende 2015 kann die Strecke wohl planmäßig freigegeben werden.

 

Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum?

 

1988 habe ich meinen ersten Abschluss als Bauingenieur an der FH in Coburg gemacht. Danach konnte ich zwei Jahre Berufserfahrung sammeln, ehe es mich nach Stuttgart zu einem weiteren Studium zog, welches ich 1993 mit meinem zweiten Diplom abgeschlossen habe. Seither bin ich für Leonhardt, Andrä und Partner (LAP) tätig.

Das Schöne am Beruf des Bauingenieurs ist das Entwerfen und Konstruieren von Bauwerken. Die Möglichkeit, anspruchsvolle und nicht alltägliche Sonderarbeiten mit ganz individuellen Lösungen zu realisieren, dabei auch neue Werkstoffe zum Einsatz bringen zu können, hat mich immer gereizt, weshalb ich froh bin, dies bei LAP tun zu können.

 

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Ihren Mitarbeitern am meisten?

 

Für mich zählen vor allem Einsatzbereitschaft und Kreativität. Unser Team setzt sich aus sehr erfahrenen und noch sehr jungen Kollegen zusammen, welche sich beispielsweise im Bereich des BIM gut ergänzen und damit den Erfolg sichern. Für mich als Vorstand wäre ein Projekt, von dem ich nichts weiter als den Vertrag sehe, natürlich ideal, da dies bedeuten würde, dass die Projektleitung alles richtig macht.

Wir entwickeln unsere Mitarbeiter spezifisch weiter, je nach Neigung und Vorlieben. Es gilt zu erkennen, ob jemand lieber als Bauüberwacher vor Ort oder Planer im Hintergrund arbeitet und so dem Unternehmen am besten hilft. Das Prinzip des Förderns und Forderns gibt unseren Mitarbeitern sowohl die nötigen Freiheiten, um ihre Kreativität einzubringen, als auch die Sicherheit, bei Fragen jederzeit einen Ansprechpartner im Vorgesetzten und den anderen Kollegen zu haben.

Derzeit kommen wieder viele angehende Bauingenieure als Praktikanten zu uns. Wer sich hier auszeichnet, hat gute Chancen, bei uns fest angestellt zu werden, da wir etwa die Hälfte unserer freien Stellen mit Absolventen besetzen. Was neben einer leistungsgerechten Bezahlung für LAP spricht sind die einzigartigen Projekte, speziell im Brückenbau. Wer solche Aufgaben sucht und zu schätzen weiß, ist bei uns richtig.

 

Auf wen hören Sie beruflich?

 

Die Hierarchien in unserem Büro sind sehr flach. Ich suche, gerade bei technischen Fragen, immer den Rat des jeweiligen Spezialisten im Haus. Meine drei Vorstandskollegen sowie der Aufsichtsrat sind besonders in übergeordneten Dingen rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur gefragt.

 

In welche Informationstechnik investieren Sie?

 

Wie gesagt, operieren wir seit vielen Jahren mit BIM und investieren entsprechend. Am Ende umfasst dies in etwa fünf Prozent unseres Jahresbudgets. Spezielle digitale Applikationen oder Apps helfen heute unseren Bauüberwachern, ihre Aufgabe mit digitaler Unterstützung zu erfüllen. Besonders unvermeidbare Planänderungen werden so schnell und für alle eindeutig erkennbar umgesetzt.

Die Bauherren tun sich bisher noch ein wenig schwer in Sachen BIM, weshalb wir wie gesagt Aufklärungsarbeit leisten und Methoden-Vorführungen organisieren. Unsere Vorreiterrolle im Bereich BIM macht uns für entsprechende Software-Anbieter interessant, welche gezielt den Kontakt zu uns suchen, um ihre neusten Produkte an realen Projekten testen zu lassen. Gerade bei LAP-Projekten bedeutet dies nicht selten einen Härtetest.

Es entsteht dadurch eine Win-win-Situation, da die Hersteller und Programmierer vor der Markteinführung Fehler ihrer Systeme aufgezeigt bekommen und wir stets Zugang zur neusten Erweiterung unserer IT haben.

 

Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

 

Die Investitionen in die Infrastruktur müssen erhöht werden. Mit Infrastruktur meine ich nicht nur Straßen, Brücken und digitale Netzverbindungen, sondern auch die Bildung der nötigen Nachwuchskräfte im Bauingenieurwesen.

Es ist schon erstaunlich, dass ein Projekt des Bundesverkehrsministers von einigen Millionen Euro Umfang - ich spreche von der geplanten Maut - wesentlich mehr Widerstand ausgesetzt ist, als das Zehn-Milliarden-Renten-Paket der Sozialministerin. Ich gönne jedem Älteren seine Rente, doch wenn die Investitionen in die Zukunft des Landes, also gerade die jungen Fachkräfte, ausbleiben, wird dies auch die derzeit umfassenden Sozialleistungen unmöglich machen.

Im Ausland beobachtet man sehr genau, wohin sich Deutschland bewegt und ob dabei vielleicht unsere Vorreiterrolle in vielen Bereichen von anderen übernommen werden könnte. Auch hier ist BIM wieder ein gutes Beispiel, wo man in anderen Ländern schon wesentlich weiter ist. Der Bund will nun endlich die weitere Entwicklungsarbeit in diesem Bereich anstoßen. Das muss er auch.

Sicher haben wir in Deutschland die Dynamik der Nachkriegszeit bzw. der Nachwendezeit hinter uns. Die Stimmung in Asien und anderen Teilen der Erde ist da deutlich euphorischer, es wird weniger lamentiert und mehr gebaut.

Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir in Deutschland in Sachen Nachhaltigkeit und Bauwerkserhaltung anderen Nationen in Zukunft weit voraus sein können, was wiederum ein Vorteil sein wird, wenn der reine Neubau im Rest der Welt aufgrund von Ressourcenschwund, Mangel an Bauland und der ständigen Verkehrszunahme auch nicht mehr derart boomt und boomen kann.

Ein Beispielprojekt dazu, mit welchem sich unser Haus befasst hat, liefert die Mülheimer-Brücke. Dort kann man sehr gut sehen, wie aufwendig und speziell eine Erhaltungsmaßnahme unter Betrieb im Gegensatz zum Bauen auf der grünen Wiese ist. Das kann nicht jeder.

 

Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?

 

Die nötige Sachkenntnis zu aktuellen Vorschriften und Regelwerken erhalte ich in Seminaren von Verbänden, Hochschulen und sonstigen Weiterbildungseinrichtungen.

Sprachen lerne ich mit geeigneter Internet-Software. Derzeit ist Portugiesisch zum brasilianischen Gebrauch an der Reihe.

 

Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?

 

Ich lebe und arbeite in Dresden und gehe hier sehr gerne im Großen Garten Laufen oder Radfahren. Außerdem besuche ich hin und wieder ein klassisches Konzert, wenn es die Zeit erlaubt. Abschalten kann ich, unter anderem, zur Musik Richard Wagners.