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Rainer Nobis: "Die weltweite Betonintensität steigt deutlich an."

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 11. Feb. 2022
  • Zement- und Betonproduktion nimmt weiter zu
  • Baustoffbranche als Arbeitgeber über Jahrzehnte sehr lukrativ
  • duale Ausbildungssysteme in Deutschland müssen gestärkt werden

Dipl.-Ing. Rainer Nobis war 35 Jahre in der Baustoffindustrie tätig. Foto: privat
Dipl.-Ing. Rainer Nobis ist
Baustoffexperte und freier Autor.
Foto: privat

Dipl.-Ing. Rainer Nobis

Rainer Nobis war 35 Jahre in der Baustoffindustrie tätig, davon nahezu 25 Jahre international. Sein Aufgabengebiet lag dabei zum größten Teil direkt in der Produktion und im Management von zement- und betonproduzierenden Unternehmen.
Unter anderem verantwortete er die zentrale technische Leitung von HeidelbergCement, zu der auch die Forschung und Entwicklung von Baustoffen, meist Zement und Beton gehörte.
Rainer Nobis ist der Autor des Buches "Illustrierte Geschichte des Zements und Betons" (siehe Quellen und Verweise).

Herr Nobis, was treibt Sie gegenwärtig am meisten um?

Die Bauindustrie und insbesondere die Baustoffindustrie stehen gegenwärtig stark in der Kritik. Kritisiert wird vor allem, dass die Produktion und Verwendung von energieintensiven Baustoffen nicht ökologisch sei und erhebliche CO2-Emissionen verursache. Die Mitarbeitenden in der Baustoffindustrie sind ohne Unterbrechung dieser Kritik ausgesetzt.
Die Behauptung, dass insbesondere die Zement- und Betonproduktion große Mengen Kohlendioxid emittieren, ist sicher richtig. Sie steht für etwa sieben bis acht Prozent der gesamten weltweiten Kohlendioxid-Emissionen, was in etwa den Emissionen des Flugverkehrs entspricht. Trotz dieser Kritik steigt aber weltweit die Zement- und Betonproduktion.
Zum einen liegt das an der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung in den Entwicklungsländern, zum anderen an der intensiveren Urbanisierung der Bevölkerung. Weil damit erheblich mehr Infrastruktur und große Gebäude benötigt werden, steigt die sogenannte "Betonintensität" deutlich an und wird weiter steigen.
Unsere besondere Herausforderung ist es, der Forderung nach weniger Kohlendioxid-Emissionen bei der Produktion nachzukommen. Dies geschieht gegenwärtig in allen Unternehmen der Baustoffindustrie mit extremem finanziellen Aufwand. Die Entwicklung geht dabei in zwei Richtungen.
Auf der einen Seite werden Zemente und Betone entwickelt, die weniger Kohlendioxid-Emissionen verursachen. Auf der anderen Seite werden unvermeidliche Kohlendioxid-Emissionen aufgefangen, verflüssigt und in ehemaligen Gas- und Öllagerstätten eingelagert. Daneben gibt es erhebliche Bemühungen, aus Kohlendioxid plus grünem Wasserstoff künstliche Brennstoffe zu produzieren. Alle drei Entwicklungen machen gegenwärtig rasante Fortschritte.

Wie lange waren Sie in der Branche tätig und warum?

Insgesamt war ich über 35 Jahre in der baustoffproduzierenden Industrie und im Anlagenbau tätig und berate noch heute einzelne Unternehmen in technischen Fragen.
Da sich ein erheblicher Teil meiner Tätigkeit auf die Konzeption und den Bau großer Zementwerke konzentrierte, war die häufigste und größte Herausforderung, Projekte abzugeben, die nach Inbetriebnahme nicht nur gut funktionierten, sondern auch im vorgegebenen Budget und Zeitrahmen lagen.
Grundsätzlich war es mein Beweggrund, in die Baustoffindustrie zu gehen, dass man bereits in jungen Jahren enorme Verantwortung übernehmen konnte, die Arbeit mit natürlichen Rohstoffen interessant und die Industrie sehr international ist. Außerdem war das Einkommen sehr lukrativ.

Wie bewerten Sie die aktuelle Personalsituation in den Unternehmen der Baubranche?

Die Geschichte der Baustoffe Zement und Beton wird in dem reich illustrierten Buch von Rainer Nobis wiedergegeben.
Die Geschichte der Baustoffe
Zement und Beton wird in dem
reich illustrierten Buch von
Rainer Nobis wiedergegeben.
Die Personalsituation in der Baustoff- und Bauindustrie ist sehr angespannt. Qualifizierte Mitarbeiter auszubilden, wird immer problematischer. Qualifizierte einheimische Bauhandwerker sind rar, weshalb auf ausländische Mitarbeiter nicht verzichtet werden kann.

Die Politik, aber auch die Industrie müsste viel mehr tun, um das Bauhandwerk attraktiver zu machen. Für Bauingenieure, Statiker und Projektingenierure ist die Bauindustrie bereits höchst interessant, weil jedes Bauvorhaben ein anderes ist und jedes Projekt neue Herausforderungen birgt.

Hinzu kommt, dass mit dem Bau neuer Gebäude auch tatsächlich Neues geschaffen wird, was dem Auftraggeber, aber oft auch der Öffentlichkeit neue Möglichkeiten bietet. Ob es nun Wohngebäude, Straßen, Tunnel, Häfen, Fabriken oder anderes ist, man kann immer stolz darauf sein. Außerdem sind die Projekte heute sehr international und man hat immer mit neuen Menschen zu tun.

Die Branche ist besonders für jene gut geeignet, die immer neue Herausforderungen und das gewisse Abenteuer suchen, überregional oder international tätig sein möchten und gern ein "etwas raueres Umfeld" mögen.

Bitte vervollständigen Sie den Satz: "Um erfolgreich zu planen und zu bauen, kommt es in Zukunft darauf an, dass..."

...die Komponente Ökologie ernst genommen wird, aber auch die Kosten des Bauens nicht komplett aus dem Ruder laufen.

Was kann durch moderne Technik und digitale Methoden für die Baubranche gewonnen werden?

Die Technik wird auch im Bau eine immer größere Rolle spielen, damit die Produktivität steigt, kürzere Bauzeiten erreicht und Kosten optimiert werden können.

Potenzial sehe ich besonders in einer höchst computergestützten Bauplanung, automatisierten Bestell- und Terminsystemen, damit Materiallieferungen just in time erfolgen, 3D-computergestützten Betonplazierungen und einer weiter entwickelten Fertigbauweise.

Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Ich habe drei große Wünsche an die Politik. Dies sind die Stärkung der dualen Ausbildungssysteme in Deutschland, die Vereinfachung der Genehmigungspraxis bzw. die Reduzierung der ausufernden Bürokratie sowie weniger, immer teurer werdende Auflagen bei der Bauausführung.

Worauf sollten Fachkräfte im Bauwesen bei ihrer Weiterbildung Wert legen?

Baufachexperten sollten bei ihrer individuellen Weiterbildung darauf achten, dass Materialien und Methoden zum Einsatz kommen, die einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck verursachen und gleichzeitig langlebig bzw. recyclebar sind.

Welchen Ausgleich hatten Sie zum Beruf?

Mein Ausgleich zum Beruf waren der Sport und die Liebe zur Natur.

Wichtig war es zudem für mich immer, die schönen Dinge bzw. die Vorteile und nicht die Nachteile zu sehen, egal ob ich mich in der Wüste, in sehr kalten Regionen oder fern ab von der Zivilisation befand.

QUELLEN UND VERWEISE:

Illustrierte Geschichte des Zements und Betons (Buch)