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Ingenieurmethoden im Brandschutz - Chancen für den Stahlbau - Teil 3/4

Verfasst von: Prof. Dr.-Ing. Peter Schaumann
Veröffentlicht am: 20. Sep. 2001
Kategorie:

# 01.10.2001

Teil 3 - Fortsetzung 3. Möglichkeiten der brandschutztechnischen Bemessung nach Eurocodes

3.4 Mechanische Lasten im Brandfall

Gleichung (4), Abb.: Institut für Stahlbau
Gleichung (4), Abb.: Institut für Stahlbau

Für den Brandfall gelten die Kombinationsregeln für außergewöhnliche Einwirkungen gemäß Eurocode 1 [9] Gleichung (4).


3.5 Beanspruchbarkeit der Tragkonstruktion

Abb. 2 - Momententragfähigkeit von Verbundträgern in Abhängigkeit  von der Branddauer, Abb.: Institut für Stahlbau
Abb. 2 - Momententragfähigkeit von Verbundträgern in Abhängigkeit von der Branddauer, Abb.: Institut für Stahlbau

Von tragenden Bauteilen wird gefordert, daß ihre Tragfähigkeit im Brandfall unter Gebrauchslasten für eine anforderungsgemäße Branddauer aufrechterhalten bleibt. Dieses Traglast-Kriterium wird in den Eurocode-Teilen 1-2 entsprechend der Feuerwiderstandsdauer unter Normbrandbedingungen durch die Klassen R 30, R 60, R 90, R 120, R 180 und R 240 ausgedrückt. Die Werkstoff-Teilsicherheitsbeiwerte Gamma,m,fi dürfen im Brandfall bei der Berechnung der Beanspruchbarkeiten einheitlich für die Werkstoffe Bau-, Betonstahl und Beton zu 1,0 angenommen werden. Allgemein stehen für den Nachweis des Feuerwiderstands tragender Bauteile neben dem Brandversuch folgende Nachweisebenen zur Verfügung: Ebene 1 - Klassifizierung der Bauteile mit Hilfe von Tabellen; Ebene 2 - Nachweis mit vereinfachten Berechnungsverfahren. Diese Nachweisform der brandschutztechnischen Bemessung geht von geeigneten vereinfachten und vereinfachenden Annahmen - meist in Form einer temperaturbedingten Reduzierung der Querschnitte - aus. Bemessungswert ist meist eine Traglast des Bauteils zugehörig zu der geforderten Feuerwiderstandsdauer; Ebene 3 - Nachweis mit allgemeinen Berechnungsverfahren. Dieser Nachweis beinhaltet die vollständige thermische und mechanische Analyse in einem numerischen Simulationsmodell. Diese Nachweismethode darf nach den Eurocodes auf Bauteile, Tragwerksteile und Gesamtkonstruktionen angewendet werden. Für den Stahlbau werden im Eurocode Nachweisverfahren auf der Ebene 2 für den Verbundbau auf der Ebene 1 und 2 angegeben. Eine Übersicht dazu ist in [19] enthalten. Als wertvolle Berechnungsgrundlage für Nachweise auf der Ebene 3 werden in den Eurocodes die Rechenwertannahmen für die temperaturabhängigen Spannungs-Dehnungsbeziehungen von Bau- und Bewehrungsstahl sowie Normal- und Leichtbeton festgelegt. Damit wird eine wichtige Basis für die Berechnung des Trag- und Verformungsverhaltens einzelner Bauteile bis hin zu Gesamtkonstruktionen im Brandfall gegeben. Exemplarisch werden hier die berechneten positiven Biegemomententragfähigkeiten zweier Verbundträger unter einer Brandbeanspruchung gemäß Einheitstemperaturzeitkurve vorgestellt (s. Abb. 2). Die Trägerquerschnitte unterscheiden sich dadurch, daß als Brandschutzmaßnahme das Stahlprofil in einem Fall mit Kammerbeton versehen ist, im anderen Fall ist eine kastenförmige Bekleidung mit Gipskartonplatten vorgesehen. Der Kammerbeton enthält hier keine zusätzliche Betonstahlbewehrung. Mit zunehmender Branddauer t wird die Querschnittstragfähigkeit geringer. Die Tragfähigkeiten sind als bezogene Werte dargestellt, wobei der Ausgangswert der Momententragfähigkeit zum Zeitpunkt t=0 entspricht, bei dem die Tragfähigkeiten beider Träger gleich sind. Mit zunehmender Branddauer verhalten sich die beiden Träger ganz unterschiedlich. Der ungeschützte Untergurt des kammerbetonierten Stahlprofils verliert schnell einen Großteil seiner Festigkeit. Die Kurve zeigt einen rapiden Abfall der Tragfähigkeit im Bereich zwischen 20 und 30 min. Branddauer. Danach nimmt die Tragfähigkeit wesentlich langsamer ab. Die Tragfähigkeit des Trägers mit der kastenförmigen Bekleidung bleibt bis etwa 70 min. voll erhalten und nimmt dann rasch ab. Die Neigung der Kurven im Bereich von etwa 60% der Kalttragfähigkeit [Mpl,fi,t]/[Mpl,fi,t=0] = 60% ist sehr unterschiedlich. Daraus folgt, daß beim kammerbetonierten Verbundträger in diesem Lastausnutzungsbereich eine geringe Abminderung der Beanspruchungen mit einer vergleichsweise großen Erhöhung der Feuerwiderstandsdauer verbunden ist, während sich eine solche Lastreduzierung beim Stahlquerschnitt mit kastenförmiger Bekleidung lediglich geringfügig auswirkt. Das Beispiel belegt, daß rechnerische Simulationsverfahren den Kenntnisstand in einem Maße vertiefen, wie er selbst durch eine große Zahl von Brandversuchen nicht erreicht werden könnte. Damit werden Grundlagen für ein unter Brandschutzaspekten optimiertes Design verfügbar. Ergebnis solcher rechnerischen Untersuchungen sind beispielsweise spezielle Stahlträgerquerschnitte für Slim-Floor-Decken. In den Eurocodes wird auch die Gesamttragwerksberechnung als Methode für den Tragsicherheitsnachweis im Brandfall eingeführt. Die Brandversuche an mehrgeschossigen Stahlrahmentragwerken in Cardington [20, 21] haben eindrucksvoll belegt, daß der Versagenszustand sowohl von Trägern als auch von Stützen sich signifikant von dem Versagenszustand im Normbrandversuch unterscheidet. Bei dem Zusammenwirken in der räumlichen Struktur kommt dem Tragverhalten der Decken besondere Bedeutung zu [22]. In der räumlichen Interaktion trat trotz Bauteiltemperaturen in den unbekleideten Stahlträgern von über 1000 °C kein Systemversagen auf. Robinson leitet in [23] daraus die kühne These ab, daß „moderne Stahlrahmenkonstruktionen so konstruiert werden können, daß sie einem Feuer mit ungeschützten Trägern standhalten können“.



QUELLEN UND VERWEISE:

Institut für Stahlbau - Uni Hannover
Teil 4/4