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Müssen kostengünstige Brücken unbedingt hässlich sein – Teil 4a/4

Verfasst von: Dipl. Ing. Reiner Saul
Veröffentlicht am: 30. Nov. 2001
Kategorie:

# 14.01.2002

Fortsetzung: Wege zu kostengünstigen und gut gestalteten Brücken / Die Beitragsreihe endet mit dem vierten Teil

5.4.1 Offener (freier) Entwurfswettbewerb

Bei dem freien Wettbewerb findet - wie bei Architekturwettbewerben üblich keine Vorauswahl der Bewerber statt, es wird aber im allgemeinen verlangt, dass Ingenieur und Architekt - eventuell auch umgedreht - eine Planungsgemeinschaft bilden und einen Landschaftsarchitekten hinzuziehen. Die Auslobungsmodalitäten richten sich dabei nach den GRW 1977.


5.4.2 Straßenbrücke über das Schornbachtal

Abb. 11 – Straßenbrücke über das Schornbachtal, Architektenbestimmte Lösung
Abb. 11 – Straßenbrücke über das Schornbachtal, Architektenbestimmte Lösung

Im Zuge des Ausbaus der B 29 Stuttgart - Aalen bzw. der Ortsumgehung Schorndorf wurde eine 620 m lange Brücke über das Schornbachtal mit einer maximalen Höhe von 15 m über dem Talgrund erforderlich. Aufgrund einer Presseankündigung forderten insgesamt 53 Interessenten die Entwurfsunterlagen an, 25 Verfassergemeinschaften reichten Arbeiten ein, die zwischen innovativ und ungeeignet schwankten, Abb. 11.


5.5.1 Design and Build - Entwurf und Ausführung

Bei diesem Verfahren gibt der Bauherr bzw. ein von ihm beauftragtes Ingenieurbüro nur Trasse, Gradiente, Verkehrsbreiten, Belastungs- und Bemessungsvorschriften und den Baugrund vor.

Vorteilhaft für den Bauherrn ist die Kostengarantie, nachteilig die Schwierigkeit des Abwägens zwischen Gestaltung und Kosten; es erfordert sehr viel Rückgrat, einen gut gestalteten aber nachweislich teureren Entwurf durchzusetzen. Dass man mit diesem Verfahren aber sehr wohl zu ansprechenden Brücken kommen kann, zeigen die folgenden Beispiele.


5.5.2 Brücke La Cartuja für die Expo 92 in Sevilla

Abb. 12 – Die Brücke La Cartuja in Sevilla
Abb. 12 – Die Brücke La Cartuja in Sevilla

Zur Erschließung des Ausstellungsgeländes für die Expo 92 wurden mehrere Brücken nach dem Design Et Build Verfahren ausgeschrieben. Die 170 m weit gespannte Brücke La Cartuja verbindet die Altstadt von Sevilla mit dem Weltausstellungsgelände. Wegen des nahegelegenen Klosters Santa Maria de las Carvas und der historischen Töpferei La Cartuja sollten Tragwerke über der Fahrbahn möglichst vermieden werden.

Von den 12 Bietern wurden 21 Entwürfe vorgelegt, wegen der geringen zur Verfügung stehenden Bauhöhe nahezu ausnahmslos mit Tragwerk über der Fahrbahn. Der Bauherr entschied sich aber für einen stählernen Durchlaufträger mit einseitiger Voute und einer extremen Schlankheit von L/57 im Feld und einer Stütze von L/28 über der Voute, Abb. 12, obwohl dieser 70 % teurer war als das preisgünstigste Angebot.Von den 12 Bietern wurden 21 Entwürfe vorgelegt, wegen der geringen zur Verfügung stehenden Bauhöhe nahezu ausnahmslos mit Tragwerk über der Fahrbahn. Der Bauherr entschied sich aber für einen stählernen Durchlaufträger mit einseitiger Voute und einer extremen Schlankheit von L/57 im Feld und einer Stütze von L/28 über der Voute, Abb. 12, obwohl dieser 70 % teurer war als das preisgünstigste Angebot.


5.5.3 Kap Shui Mun Brücke in Hong Kong

Abb. 13 – Die Brücke La Cartuja  in Sevilla
Abb. 13 – Die Brücke La Cartuja in Sevilla

Die Kap Shui Mun Brücke ist Teil der Erschließung des neuen Flughafens und die erste nach dem Verfahren Design Et Build ausgeschriebene Brücke in Hongkong. In den Ausschreibungsunterlagen wurde lediglich vorgegeben:

• Trasse, Gradiente und die Anordnung der Verkehrswege,
• Lebensdauer von 120 Jahren entsprechend BS 5400.

Die Bemessungskriterien für die Gründung waren von den Bietern auf der Grundlage eigener Baugrunderkundungen festzulegen (!). Das kostengünstigste Angebot war eine Schrägkabelbrücke mit einer Mittelöffnung von 430 m und Seitenöffnungen von 2 x 80 m. Der Autoverkehr ist auf dem oberen Deck, die S?Bahn sowie Notspuren für Fahrzeuge auf dem unteren Deck. Die mittleren 387 m des Überbaus sind eine Verbundkonstruktion, der Rest besteht aus Spannbeton.

Durch Ausbildung eines hohen Gesimsträgers - der auch einen leichten Zugang zu den Kabelverankerungen gestattet und durch Neigung der Hauptträger konnte trotz der - durch die beiden Verkehrsebenen vorgegebenen - großen Bauhöhe von 7,5 m eine anspruchsvolle Gestaltung erreicht werden, Abb. 13.



QUELLEN UND VERWEISE:

Teil 4b/4