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Bauingenieure in Deutschland

  • Veröffentlicht von Legacy Forum User am 3. Nov. 2006 21:33
  • Neueste Antwort:vor 17 Jahren
Hallo liebe Bauingenieure,



momentan geht bei uns eine E-Mail rum, die Ihr Euch auch mal durchlesen solltet, da sie viel Wahres beinhaltet. Ich habe die Mail von einem Professor der TU München erhalten.



Mit freundlichen Grüßen

Melanie Schmöckel



Verantwortung und Ansehen der Bauingenieure – ein Aufruf



Autoren dieses Aufrufs sind acht deutschsprachige Bauingenieure aus verschiedenen Sparten dieses Berufs, die ihm nach mehreren Jahrzehnten aktiver Arbeit weiterhin eng verbunden sind. Sie nehmen Stellung zum Ist-Zustand dieses Berufs und versuchen, die junge Generation der Bauingenieure zu weiterer engagierter Arbeit zu ermuntern, die Öffentlichkeit für unsere Arbeit zu interessieren und außerdem unsere Partner – in Beruf, Verwaltung und Industrie – um verständnisvolle Zusammenarbeit zu bitten.



1. Die Bauingenieure sind für den Bau und Erhalt der Infrastruktur verantwortlich, ohne die es kein menschenwürdiges Leben auf dieser Erde gäbe,

- kein Leben in Gesundheit mit Trinkwasser und Müllentsorgung

- keinen Verkehr auf Straßen, Schienen, Flüssen und Flughäfen

- keine sichere und umweltverträgliche Energieversorgung

- keinen Schutz vor Erdbeben, Sturm und Überschwemmung

- kein sicheres Leben und Arbeiten in den von ihnen zusammen mit Architekten geplanten Gebäuden.



2. Obwohl diese Schlüsselrolle der Bauingenieure allgemein anerkannt wird, ist das Ansehen dieses Berufsstandes heute unangemessen gering. So erscheint er jungen Talenten wenig attraktiv oder er wird bei der Vergabe von Forschungsmitteln benachteiligt – mit der Folge sinkender Qualität der Infrastruktur und damit der materiellen und kulturellen Lebensbedingungen aller Menschen.



3. Die Bauingenieure müssen deshalb



- sich gemeinsam mit den anderen naturwissenschaftlich/technischen Berufen dem allgemein verbreiteten Desinteresse an technischen Themen entgegenstemmen. Insbesondere rohstoffarme und deshalb existentiell vom Können ihrer Naturwissenschaftler und Ingenieure abhängige Länder dürfen es sich nicht leisten, dass Laien über Wert und Nutzen ihres Wirkens entscheiden.

- sich der Einmaligkeit ihres Berufs wieder bewusst werden und weitersagen, dass er wie kaum ein anderer auch in unserer pluralistischen und zur Spezialisierung neigenden Gesellschaft einem Einzelnen die Gelegenheit gibt, mit seinem erlernbaren naturwissenschaftlich-technischen Wissen und seiner angeborenen kreativen Begabung eigenständige Werke zu schaffen und damit die Lebensbedingungen der Menschen auf dieser Erde zu verbessern.

- sich selbstsicher, überzeugt und überzeugend ihrer sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Verantwortung stellen.

- junge Talente begeistern, die heute entweder high-tech oder musisch-kreativ bestimmte Aufgaben suchen, indem sie ihnen die Attraktivität ihres Berufs aufzeigen, der, wie kaum ein anderer, beides bietet.

- ihren Nachwuchs bereits an den Hochschulen mit einer über das technische Wissen hinausgehenden, das selbständige und interdisziplinäre Denken fördernden und verkrustete Lehrpläne aufbrechenden praxisnahen Lehre auf seine Verantwortung vorbereiten. Dazu gehören Bau(ingenieur)geschichte ebenso wie ein werkstoffübergreifendes System- und Modelldenken und insbesondere das selbständige und phantasievolle Entwerfen von Ingenieurbauwerken. Dazu muss Sprachfähigkeit und Teamarbeit, also soziale Kompetenz gelehrt und geübt werden, weil der beste Entwurf keine Chance hat, wenn seine Vorzüge nicht überzeugend vermittelt werden.

- ihre ausufernden nationalen und europäischen Normen auf einen praktikablen und anschaulichen Bruchteil reduzieren, weil sonst ihre ganze Kraft und Unbefangenheit aufgezehrt und so die Grundlage kreativen Denkens verschüttet wird. Sie verbringen viel zu viel Zeit damit, nichts falsch zu machen statt gleich das Richtige zu tun, ist doch laut Hegel, „die Furcht zu irren schon der Irrtum selbst.“

- im Hochbau den Architekten als kreativer Partner zur Seite stehen, um sich nicht selbst zum Statiker zu degradieren, sich aber im Ingenieurbau ihrer großen Verantwortung nicht nur für die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sondern auch für die angemessene Gestalt ihres Werks stellen. Denn es ist nicht die Gestaltung einerseits und die Bautechnik andererseits, was Architekten und Bauingenieure unterscheidet, sondern die Art der Bauaufgaben, für die sie jeweils die gesamte Verantwortung tragen. Dabei dürfen die Bauingenieure hinsichtlich des Gewichts ihrer Verantwortung auch darauf hinweisen, dass es bei Fehlern des Ingenieurs Tote, des Architekten aber „nur“ unwirtliche Städte geben kann.

- sich sträuben, als Architekten bezeichnet zu werden, wenn sie ihrer gestalterischen Verpflichtung nachkommen und sich wehren, wenn einem Architekten das ganze Ingenieurbauwerk bereits dann zugeschrieben wird, wenn er es nur geschönt hat.

- dafür kämpfen, dass ihr geistiges Eigentum gewahrt wird, dass sie sich nach einer erfolgreichen Wettbewerbsbeteiligung im freien Beruf keinesfalls einem Vergabewettbewerb unterwerfen müssen, um den Planungsauftrag für einen miterarbeiteten Entwurf zu erhalten und dass sie als Unternehmer den Missbrauch ihrer technischen Sondervorschläge nicht hinnehmen müssen.

- darauf bestehen, im Vergleich zu anderen Berufen und im Hinblick auf ihre unvergleichlich hohe Verantwortung, angemessen und leistungsgerecht honoriert zu werden. Dazu müssen sie sich aber auch selbst an ihre Gebührenordnung und an den Ehrenkodex ihrer Ingenieurkammer halten und eine angemessene Verhaltenskultur für ihre Zunft entwickeln.

- wie alle Bürger ihren Beitrag zum Abbau der Staatsverschuldung leisten, weil sie Ursache vieler der hier angesprochenen Missstände ist.



4. Die Gesellschaft darf deshalb

- nicht in ihrer Bereitschaft nachlassen, ganzheitliche Qualität, also technisch Zuverlässiges und gut Gestaltetes für den öffentlichen Raum zu fordern und zu finanzieren.

- nicht zulassen, dass die Summe der Ausgaben für öffentliche Investitionen geringer ist als die der Einnahmen aus neu aufgenommenen Krediten und damit immer wieder gegen Artikel 115 des Grundgesetzes verstoßen wird.

- nicht zulassen, dass zwar und zu Recht für Museen oder Kindergärten Entwurfswettbewerbe ausgeschrieben werden, die Planungsleistungen für eine Brücke aber, obwohl sie eine viel stärkere Wirkung auf ihr natürliches und urbanes Umfeld haben kann, meist nach dem niedrigsten Preisangebot vergeben werden.

- nicht verkennen, dass Mehrkosten qualitätsvoller Bauten nur die Folge von mehr Arbeit sein können, weil gute, effiziente Bauten mit weniger Werkstoffressourcen auskommen als schwerfällige und sie deshalb sozial und ökologisch zugleich sind.

- nicht zulassen, dass das technisch/wissenschaftlich qualifizierte und erfahrene Personal in der öffentlichen Verwaltung und den Spitzenpositionen de

9 Kommentare

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    • Veröffentlicht von: civi (inaktiv)
    • 7. Nov. 2006 13:13
    Hier der fehlende Teil des Beitrags:



    4. Die Gesellschaft darf deshalb

    - nicht in ihrer Bereitschaft nachlassen, ganzheitliche Qualität, also technisch

    Zuverlässiges und gut Gestaltetes für den öffentlichen Raum zu fordern und zu

    finanzieren.



    - nicht zulassen, dass die Summe der Ausgaben für öffentliche Investitionen geringer ist als die der Einnahmen aus neu aufgenommenen Krediten und damit immer wieder gegen Artikel 115 des Grundgesetzes verstoßen wird.



    - nicht zulassen, dass zwar und zu Recht für Museen oder Kindergärten Entwurfswettbewerbe ausgeschrieben werden, die Planungsleistungen für eine Brücke aber, obwohl sie eine viel stärkere Wirkung auf ihr natürliches und urbanes

    Umfeld haben kann, meist nach dem niedrigsten Preisangebot vergeben werden.



    - nicht verkennen, dass Mehrkosten qualitätsvoller Bauten nur die Folge von mehr Arbeit sein können, weil gute, effiziente Bauten mit weniger Werkstoffressourcen auskommen als schwerfällige und sie deshalb sozial und ökologisch zugleich sind.



    - nicht zulassen, dass das technisch/wissenschaftlich qualifizierte und erfahrene Personal in der öffentlichen Verwaltung und den Spitzenpositionen der Industrie

    weiter ausgedünnt wird.



    - nicht die Bedeutung der grundlegenden und der praxisnahen Forschung für das Bauwesen und die Infrastruktur - einschließlich des Exports von Ingenieurleistungen - unterschätzen. Sie muss darauf drängen, dass die deutsche Bundesregierung ihre Entscheidung, die Bauforschung aus dem Bundesforschungsministerium

    auszugliedern, revidiert.



    Die Bauingenieure müssen um die Verbesserung ihres beruflichen Ansehens kämpfen, um ihrer zivilisatorischen und kulturellen Verantwortung weiterhin gerecht werden zu können. Dazu müssen sie in Forschung, Lehre und Praxis die Qualität ihrer Arbeit stetig den Bedürfnissen der Menschen anpassen und in der Gesellschaft um Anerkennung dafür werben, dass auch im Ingenieurbau Qualität ihren Preis hat.



    Autoren sind: Josef Eibl, München / Alfred Pauser, Wien / Herbert Schambeck, Andechs / Jörg Schlaich, Stuttgart / Klaus Stiglat, Karlsruhe / René Walther, Basel / Hans-Joachim Wolff, München / Wilhelm Zellner, Leinfelden-Echterdingen. Im September 2006.



    Die Unterzeichner, die sich aus freien Stücken zu diesem Aufruf zusammenfanden und in dieser Konstellation keiner Organisation angehören, bitten diejenigen Kollegen, die sich prinzipiell damit identifizieren können, um Weiterverbreitung, jeder an seinem Ort und mit seinem Medium von der Hauspost bis zur (Verbands-)Zeitschrift. Kritik und Anregungen werden erbeten an Dr.-Ing. Klaus Stiglat, Hegaustr. 19, 76199 Karlsruhe.



    Sehr schöner Text. Mein Massivbau-Professor hat damals schon davor gewarnt, dass der Bauingenieur immer weniger zu tun bekommt, da seine Aufgaben häufig auch von anderen (z.B. Architekten, Poliere) übernommen werden.
    • Veröffentlicht von: Michael (inaktiv)
    • 8. Nov. 2006 08:53
    Hallo,



    ich finde aus diesem Artikel spricht sehr viel Wahrheit! Wir Bauingenieure sollten uns nicht damit zufrieden geben, täglich unseren Job einfach nur auszuführen, damit wir jeden Monat unsere Rechnungen bezahlen können! Nein, jeder sollte davon überzeugt sein, was er tut, darauf stolz sein wie er es tut!



    Die Arbeit als Bauingenieur ist einmalig! Deshalb darf es nicht sein, dass so viele Bauingenieure einfach nur arbeitslos verkümmern und schlussendlich gezwungen werden, unser Land zu verlassen!

    • Veröffentlicht von: Werner Schnurr (inaktiv)
    • 8. Nov. 2006 10:55
    Hier findet man den kompletten Artikel, inkl. der Verfassernamen:



    http://www.ikth.de/11akt/docs/aufruf_bauingenieure.pdf
    • Veröffentlicht von: Sven (inaktiv)
    • 8. Nov. 2006 11:06
    Der Beitrag trifft die momentane Situation zu 100%! Wir Bauingenieure sollten stolz darauf sein, was wir erlernt haben und im stande sind zu realisieren!
    • Veröffentlicht von: Fritz (inaktiv)
    • 8. Nov. 2006 11:39
    Nach dem Studium erstmal Praktikum. Nach dem Praktikum arbeitslos. Dann 100 Bewerbungen, 4 Gespräche und kein Job. So sieht die Realität aus. Die Bauwirtschaft sollte sich auch mal an die eigene Nase fassen. Ich kann keinem mehr empfehlen Bauingenieurwesen zu studieren.
    • Veröffentlicht von: Sergio (inaktiv)
    • 9. Nov. 2006 01:24
    Hallo Michael



    niemand muss das Land verlassen, weil keine qualifizierte Arbeit mehr in Deutschland ist. Ganz im Gegenteil, Du wirst im Ausland sehr viele und gute Ingenieure finden, die Ihre arbeit leisten. Es ist immer schon jemand im Ausland zu finden, der Deutsch spricht und so wie wir nach Qualitat streben.



    In Angola wird demnächst viel gebaut und da wird deutsche Qualitat gebraucht. In Südafrika brauchen Sie dringend qualifizierte Leute für die Fussball WM, die in knapp 4 Jahre startet. Ins Ausland zu gehen, ist also nicht ein MUSS!



    Gruss aus Brasilien

    Sergio Messerli

    • Veröffentlicht von: Ralf Balzer (inaktiv)
    • 9. Nov. 2006 18:49
    Interessante Gedanken. Aber sehr auf Forschung, Lehre und Brückenbau beschränkt, obwohl es alle Bereiche des Bauingenieurwesens betrifft.



    Grundsätzlich bin ich auch einverstanden, ein allgemeines Interesse für unseren Berufsstand zu vermitteln. Aber es sollte von innen nach aussen geschehen. Also erst innerhalb unserer Berufsgemeinschaft für klare Verhältnisse sorgen, und dann an die Öffentlichkeit treten.



    Wie soll ich den normalen Bürger für unsere Sache gewinnen, wenn er ständig in der Zeitung über gestiegene Baukosten bei Projekten liest und diese Mehrkosten vom Projektsteuerer mit "Wir planen doch nicht für den worst case" begründet werden.



    Oder die jährlichen Berichte des Bundesrechnungshofes - da werden Brücken gebaut, wo sie nicht gebraucht werden, oder Kläranlagen werden so überdimensioniert, das die Anlieger die Gebühren kaum stemmen können.



    Bei vorliegenden Fakten sollten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden (z.B. durch Ausschluß bei Wettbewerben und Ausschreibungen). Bei Verstößen gegen die HOAI, sollte ein Berufsverbot ausgesprochen werden. Unsere Kammern könnten und sollten da viel aktiver werden.



    Für unseren Nachwuchs ist es auch kaum erstrebenswert, ständig Praktika in großen Firmen bei voller Verantwortung und 500 EUR zu leisten. Wären sicher auch wichtige Punkte in den Aufgaben

    der Kammern. Wenn diese Punkte innerhalb unserer Berufsgruppe von uns angegangen sind, erst dann kann man sich an die Öffentlichkeit mit der Bitte um Unterstützung wenden.

    • Veröffentlicht von: Norbert (inaktiv)
    • 9. Nov. 2006 18:49
    Hallo liebe Kollegen|innen,



    tja viel Text, viel Warheit, aber wer würde seinem eigenen Sohn bei der jetzigen Marktsituation raten, das Bauingenieurstudium einem anderen vorzuziehen?



    Ich nicht, denn ich weiß, was in anderen Branchen verdient wird, und habe viele traurige ehemalige Studienkollegen, die keine Arbeit haben oder den Job wechseln mussten.



    ;-) übrigens Lehrern, LKW-Fahrern, Fließbandarbeitern und vielen anderen Berufen, geht es genauso, jammern wird kaum was nützen. Tröstlich, dass man als Bauingenieur nicht alleine ist.



    Gruß

    Norbert

    • Veröffentlicht von: Stefan Rockel (inaktiv)
    • 21. März 2007 11:33
    Na ja, so verkehrt ist es sicher nicht, Bauing. zu studieren. Deutsche Bauingenieure haben einfach einen guten Ruf, und das sollte man weiterführen.



    Im Markt sieht es derzeit so aus, dass sehr viele ältere Ing. ausscheiden (Rente) und dann kaum junge Leute nachkommen.



    Die Vertiefungsrichtung im Studium kann auch sehr viel ausmachen. Derzeit besteht immenser Bedarf nach TGA-Leuten, das würde ich unbedingt vertiefen. Außerdem hat keiner wirklich Ahnung über TGA auf meinen Baustellen...



    Gruß

    Stefan

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