Geotechnik: Pfusch und Unwissenheit
- Veröffentlicht von Geotechniker (inaktiv) am 16. Aug. 2014 09:16
- Neueste Antwort:vor 9 Jahren
Ich arbeite jetzt mehrere Jahre in der Geotechnik-Branche und ich bin zutiefst entsetzt. Nirgendwo wird sich an Regeln gehalten, überall wird gepfuscht was das Zeug hält. Das geht dabei los, dass sich zum Thema Baugrund keiner an den Eurocode 7 hält (meist nicht einmal kennt) und hört damit auf, dass ein renommiertes Prüfinstitut für Erd- und Grundbau nicht weiß wie man den statischen Plattendruckversuch ausführt und diesen offensichtlich seit 20 Jahren falsch macht.
Überall wird nur noch ein Minimum an Versuchen durchgeführt oder Pseudo-Gurus stecken kurz ihren Finger in den Boden und behaupten ohne Laborversuche Bodenkennwerte auf die Nachkommastelle genau angeben zu können. Und gefördert wird das ganze von der Geiz-ist-geil-Mentalität der Auftraggeber.
Bin ich zu naiv oder ist das einfach krank? Wo soll das hinführen? Was kann man gegen Stümper und Pfuscher machen? Sollten die Bauämter nicht auf korrekte Baugrundgutachten bestehen müssen?
Überall wird nur noch ein Minimum an Versuchen durchgeführt oder Pseudo-Gurus stecken kurz ihren Finger in den Boden und behaupten ohne Laborversuche Bodenkennwerte auf die Nachkommastelle genau angeben zu können. Und gefördert wird das ganze von der Geiz-ist-geil-Mentalität der Auftraggeber.
Bin ich zu naiv oder ist das einfach krank? Wo soll das hinführen? Was kann man gegen Stümper und Pfuscher machen? Sollten die Bauämter nicht auf korrekte Baugrundgutachten bestehen müssen?
8 Kommentare
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- Veröffentlicht von: patrick (inaktiv)
- 20. Aug. 2014 20:01
@Geotechniker:
Willkommen in der Bauindustrie!- Veröffentlicht von: Baumann (inaktiv)
- 22. Aug. 2014 15:44
Bodengutachten als Pflicht! JA das wäre ein Anfang! Meine Berufshaftpflicht verlangt dies ohnehin grundsätzlich - unterstützt mich aber auch durch Rahmenverträge mit bundesweit agierenden BGA.- Veröffentlicht von: kriss (inaktiv)
- 23. Aug. 2014 13:52
Bei dem Preiskampf momentan bekommt man das was man bezahlt!- Veröffentlicht von: hel (inaktiv)
- 23. Aug. 2014 20:30
@Geotechniker:
"Sollten die Bauämter nicht auf korrekte Baugrundgutachten bestehen müssen?"
Dazu müssten sie qualifizierte Mitarbeiter in ausreichender Zahl haben. Aber bekanntermaßen wählen die Bürger seit Jahren Politiker, die versprechen den "Apparat" zu verschlanken. Und fehlende Baukontrolle führt nicht so schnell zu Geschrei wie geschlossene Bürgerämter. Auch andere Vorschriften werden eher nicht richtig überprüft: z.B. die Umsetzung der Energie-Einspar-Vorschriften. Und bei großen Baugruben steht in Berlin regelmäßig keine Bautafel - die kommt erst mit dem Rohbau. Zu spät.- Veröffentlicht von: Volker (inaktiv)
- 28. Okt. 2014 22:09
@Patrick:
Da kann ich mich nur anschließen. Und ich glaube nicht, dass es wo anders besser ist!- Veröffentlicht von: Giesler (inaktiv)
- 6. Nov. 2014 10:58
@Geotechniker:
Deine Beobachtungen zur Anwendung von Regelwerken zum Thema Baugrund mögen weitestgehend zutreffend sein, doch man muss sich die Frage stellen, warum wird diesen technischen Vorgaben auf den Baustellen so wenig gefolgt?
Als Bauingenieur eines städtischen Bauamts habe ich über Jahrzehnte das Baugeschehen in der Stadt maßgebend beeinflussen können. Selbstverständlich vertraut man als junger Ingenieur den Regelwerken, bis sich trotz gewissenhafter Einhaltung dieser Vorgaben Schäden an neu errichteten Bauwerken zeigen. Beschäftigt man sich intensiver mit den geltenden Regelwerken so wird erkennbar, dass diese Werke ausschließlich auf empirischen Werten aufbauen und sich die Ergebnisse der Erddruckberechnungen teilweise "hinrechnen" lassen. Greift man auf ein korrektes Baugrundgutachten zu, überzeugt die vorgegebene Art der Bestimmung der Bodenkennwerte kaum, weil auch hier wieder Thesen in den Regelwerken beschrieben werden, die dem realen Bodenverhalten meist nicht entsprechen. Eine von mir verfasste Studie zu der derzeitigen Erddruck-Lehre offenbart die Irrungen in den Berechnungsvorlagen, siehe erddruck.de
Wenn technische Richtlinien wenig Beachtung finden, so haben Bauschaffende mit eigenen Erfahrungen im Tiefbau wohl erkannt, dass die Macher der Regelwerke/Eurocode 7 sich sehr weit von den praktischen Erfahrungen der Bauausführenden entfernt haben und die Erfahrungswerte aus der Bautätigkeit eher als nichtig abtuen als ihnen zu folgen. M. E. werden die Richtlinien erst beachtet, wenn darin Praxis und Theorie in Einklang stehen.- Veröffentlicht von: GT0711 (inaktiv)
- 7. Nov. 2014 12:28
@Geotechniker:
Auch ich bin in der Geotechnik tätig und kann deine Erfahrungen teilweise bestätigen. Zu dem Beispiel mit dem Lastplattendruckversuch fällt mit nur noch ein: "Das haben wir schon immer so gemacht". Die Formulierung "oder Pseudo-Gurus stecken kurz ihren Finger in den Boden und behaupten, ohne Laborversuche Bodenkennwerte auf die Nachkommastelle genau angeben zu können." gefällt mir sehr gut. Besser kann man es teilweise nicht ausdrücken. Auf die Spitze kann man es dann nur noch treiben, wenn man auf einer solchen Grundlage Nachweise führt und dann ein Ausnutzungsgrad von 99,99% erreicht. Bezüglich des Gurus möchte ich allerdings einschränken, wenn ein Geotechniker über jahrelange Erfahrung in einer Region gesammelt hat (Baugrunderkundung+Laborversuche), dann traue ich es schon zu, dass die Bodenkenngrößen auf Grundlage von Erfahrung eingeschätzt werden können.
Allerdings sollte auch dann ein Mindestmaß an Versuchen durchgeführt werden, um diese Erfahrung zu bestätigen. Schwierig wird es, wenn ein "Guru" in Regionen arbeitet, wo er nicht diese Erfahrung vorweisen kann. Dies ist heute aufgrund nationaler und teilweiser europaweiter Ausschreibungen sicher öfters der Fall. Und da sind wir auch schon beim Thema Geiz. Das dass ein Problem in der Baubranche ist, ist allgemein bekannt. Ich glaube nicht, dass sich da noch was ändert. Es bleibt dabei, lieber ein günstiges Baugrundgutachten und anschließend eine teure Sanierung als umgekehrt, weil kein Beamter sich auf den unsicheren Pfad begeben wird und nicht den billigsten, sondern den wirtschaftlichsten Anbieter nimmt. Prinzipiell möchte ich noch anmerken, dass nicht alle Büros auf solch unterirdischem Niveau arbeiten. Es gibt auch viele gute Büros, wo qualifizierte Leute arbeiten, die saubere Arbeit nach den Regeln der Technik liefern.
@Giesler:
Nach ihrer Auffassung halten sie die Normen für falsch. Prinzipiell ging es dem @Geotechniker , soweit ich es verstanden habe, erstmal um die Baugrunderkundung. Auch ich bin der Meinung, dass eine ordentliche Baugrunderkundung nach den Normen sinnvoll ist. Alles Weitere führt die weitergehenden Planungen ad absurdum. Wenn Bauwerke nach den gültigen Normen errichtet wurden und sich dann Schäden zeigten, stellt sich für mich erstmal die Frage, ob die Ursache in Fehlern der Normung, falscher Anwendung oder schlechter Beschreibung der Baugrundeigenschaften liegt. Wenn man die Regelwerke genau ließt, so wird man feststellen, dass die dort beschriebenen Verfahren nur für sehr eingeschränkte Verhältnisse gelten. Überall stehen Sätze wie: „Wenn die Gefahr von ... besteht, ist ... zu untersuchen." oder "In der Regel darf das Berechnungsverfahren angewendet werden, wenn der Boden ..." Leider werden diese Sätze überlesen und einfach die Verfahren angewendet. Sicher ist es auch ein Problem der Normung, dass sie nicht beschreibt, was in Ausnahmefällen zu tun ist und klare Unterscheidungen zwischen Ausnahme und Regel gibt. Da ist dann "Sachkunde und Erfahrung auf dem Gebiet der Geotechnik" erforderlich.
Ihre Arbeit bezüglich der Berechnung des Erddrucks habe ich etwas überflogen. Leider stellen Sie ja nicht die gesamte Arbeit kostenfrei zur Verfügung. Hier stellt sich die Frage, ob damit der Erkenntnisgewinn vorangebracht werden soll, oder hier die Generierung von Einnahmen im Vordergrund steht. Prinzipiell finde ich es immer gut, wenn unterschiedliche Ansätze verfolgt und untersucht werden und somit stellt Ihr Ansatz gewiss eine Bereicherung dar. Beim Lesen sind mir jedoch einige Sachen übel aufgestoßen. Als erstes mal behaupten sie, dass es sich beim Erddruckbeiwert um einen empirischen Wert handelt. Das ist nach meiner Ansicht einfach falsch. Die Erddruckbeiwerte wurden anhand grafischer bzw. analytischer Lösungen durch Ermittlung des Kräftegleichgewichts ermittelt. Demnach unterscheidet sich das Ganze nicht wesentlich von dem was sie demonstrieren, außer dass bei Ihnen der Reibungswinkel Beta heißt. Die Unterschiede bei verschiedenen Quellen entstehen durch die Annahme unterschiedlicher Bruchkörpergeometrien. Weiterhin wird es von Ihnen so dargestellt, dass es nur einen (den aktiven) Erddruckbeiwert gibt. Es ist hinreichend bekannt, dass der Erddruck eine Funktion der Verformung und auch der Belastungsgeschichte ist (Stichwort Überkonsolidierung).
Was richtig ist, ist, dass die Bodenmechanik bis heute kein (praktisch anwendbares) Stoffgesetz vorweisen kann, mit dem sich alle Eigenschaften eines Bodens abbilden lassen können. Deswegen werden für viele unterschiedliche Teilaspekte unterschiedliche Stoffgesetze und unterschiedliche Rechenverfahren angewendet. Beispiel Flachgründung: Der Grundbruchwiderstand wird mit dem Reibungswinkel nach der Plastizitätstheorie ermittelt, während die Setzungen mit dem Steifemodul im elastischen Halbraum ermittelt werden. Hier zitiere ich meinen Geotechnikprofessor "Falsche Theorie, falsche Eingangsgrößen, richtiges Ergebnis." Wobei mit richtig bei analytischen Setzungsberechnungen wohl ehr auch die 10er-Potenz meint. Also kurz zusammenfassend: Es ist hinreichend bekannt, dass alle Berechnungsansätze in der Geotechnik starke Vereinfachungen enthalten und nur unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar sind.
Als Zweites finde ich es nicht gerechtfertigt, dass Sie das Unglück in Köln mit der Berechnung des Erddrucks in Verbindung bringen. Das ist schlicht falsch. Nach derzeitigem Kenntnisstand hat ein Loch mit wenigen m² Fläche in der Schlitzwand zum Einsturz geführt. Durch das Loch wurde aufgrund des Wasserdrucks der Boden von außen in die Baugrube gespült. Dieses Loch und der Schaden haben absolut nichts mit der Erddruckberechnung zu tun. Spätestens bei der Besichtigung der Schadstelle (voraussichtlich nächstes Jahr) erden alle weiteren Theorien diesbezüglich ausgeräumt werden. Ein Schaden aufgrund einer falschen Erddruckberechnung sieht anders aus. Dabei wäre ein großer Bereich der Schlitzwand zerstört worden. Dies ist aber definitiv nicht der Fall.- Veröffentlicht von: Giesler (inaktiv)
- 10. Nov. 2014 14:34
@GT0711 vom 7. Nov. 2014:
Wie ich den Artikel des @Geotechnikers richtig verstanden habe, beklagt dieser den Pfusch und die Unwissenheit bei der Baugrunderkundung und der Anwendung dieser Daten. Ich halte dagegen, dass manche Vorkommnisse dieser Art auch in der Anwendung fehlerhafter Vorgaben in den technischen Regelwerken begründet liegen können. Wie ausgeführt, habe ich zu dem Thema "Bodenkenngrößen und Erddruckermittlung" eine Studie erarbeitet, die umfassend die Mängel in der Erddrucklehre aufzeigt. Eingebunden in diese Arbeit sind Fehleinschätzungen der Geotechnik. Selbstverständlich erkenne ich Regelwerke an, wenn darin Praxis und Theorie im Einklang stehen.
Wenn @GT0711 beklagt, dass meine Studie "Die neue Erddruck-Theorie – Fehleinschätzungen in der Erddruck-Lehre und Erddruckermittlung auf den reinen Grundlagen der Physik" nur in Teilbereichen lesbar ist, so ist diese Handhabung bei wissenschaftlichen Autoren gängige Praxis. Zudem ist es derzeit auf meiner Webseite möglich meine Ausführungen zum Thema "Fehleinschätzungen in der Erddruck-Lehre" uneingeschränkt verfolgen und entsprechende Schlüsse ziehen zu können.
Auch mir ist bekannt, dass derzeit alle Berechnungsansätze in der Geotechnik starke Vereinfachungen enthalten und nur unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar sind. Doch muss dieser Zustand für alle Zeiten gelten? Die neue Erddruck-Theorie berechnet exakte Bodenkennwerte, den Reibungswinkel und die Tragfähigkeit von Böden, egal ob Böden sich im trockenen, feuchten oder nassen Zustand befinden oder unter Wasser anstehen. Erforderlich hierzu sind eine Entnahme ungestörter Bodenproben und eine labortechnische Behandlung der Proben. Die neue Art der Berechnung des Erddrucks erfolgt ausschließlich nach der reinen Coulombschen Lehre (Original) und nicht nach dem mangelhaften Mohr-Coulombschen Bruchkriterium und den empirischen Bodenkennziffern sowie K-Werten.
Zum Thema "Einsturz des Kölner Archivs" finden Sie es nicht gerechtfertigt, dieses mit der Berechnung des Erddrucks in Verbindung zu bringen. Trotzdem schreiben Sie, dass das Loch unter dem ehemaligen Archiv dadurch entstanden ist, dass der Wasserdruck den Boden von außen in die Baugrube gespült hätte. Vergleicht man hierzu die Dichten von Wasser und Boden, so dürfte der Erddruck hier um einiges höher anzusetzen sein als der Wasserdruck und damit der Erddruck folgerichtig in den Focus des Unglückgeschehens rücken. Auch ein verhältnismäßig kleines Loch in der Schlitzwand dürfte ausreichen, damit wassergesättigter Boden unter hohem Druck in den Innenraum des Tunnels eindringen kann. Hinsichtlich der ausstehenden Gutachten bleibt die Frage nach deren Wert, wenn diese möglicherweise auf fehlerhaften Annahmen der Geotechnik aufbauen.
Mich würde interessieren zu erfahren, welche Regelwerke der Geotechnik sich auf Vorgaben stützen, die den reinen Grundlagen der Physik folgen. Bitte diese Nennung erst nach der Studie meiner Studie "Fehleinschätzungen in der Erddruck-Lehre" abgeben. Ich meine, erst dann könnte eine zielgerichtete Diskussion über die Themen "Pfusch und die Unwissenheit im Bauwesen" und "Erddruckberechnungen" emotionslos weiter geführt werden. Ich stehe zur Verfügung.
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